Partei ohne Freunde: CDU Bremen zunehmend kopflos
Die Mehrheit des Bremer CDU-Landesvorstandes probt den Aufstand gegen seine Vorsitzende Rita Mohr-Lüllmann: Ihr wird fehlende Integrationskraft vorgeworfen - und eine faustdicke, öffentliche Lüge

Hat sie gelogen oder hat sie nicht gelogen? Das ist die Frage, um die es in der Bremer CDU nur noch geht: Eine Mehrheit im Landesvorstand ist der Ansicht, dass die Landesvorsitzende Rita Mohr-Lüllmann öffentlich gelogen hat. Und dass sie überfordert ist mit der Führungsaufgabe, sei „ein Teil des Problems“. Dass die Partei bei den nächsten Wahlen weit mehr als 20 Prozent bekommt, das glaubt derweil eigentlich niemand mehr – das Führungspersonal ist so zerstritten, dass nur noch zu hören ist, wer für wen nicht Wahlkampf machen würde.
Kronzeugin für die „Lüge“, die das Fass zum Überlaufen gebracht hat, ist ausgerechnet eine SPD-Abgeordnete, Manuela Mahnke, der niemand komplizierte taktische Überlegungen unterstellen würde. Zu Mahnke soll Mohr-Lüllmann auf der Treppe der Bürgerschaft das böse Wort von den „kriminellen Machenschaften“ der Bremerhavener Parteifreunde (CDU) gesagt haben.
Der Hintergrund ist schlicht: Michael Teiser, der Bremer CDU-Vorsitzende, will in den Bundestag, wenn Bernd Neumann den Bremer CDU-Platz im kommenden Jahr frei macht. Mohr-Lüllmann würde auch gern aus der Bremer CDU-Schlangengrube ins ferne Berlin flüchten. Da sie im Landesvorstand aber keine sichere Mehrheit hat, hat sie dieses Interesse über ein Zeitungsinterview ihren Vorstands-Kollegen mitgeteilt und gleich dazu gesagt, wie sie den Landesvorstand aushebeln will: Per Mitgliederbefragung sollte der Kandidat ermittelt werden. Auf einer CDU-Grillparty sammelte sie die dafür erforderlichen Unterschriften. Per Mitgliederbefragung hatte sich sich schon einmal durchgesetzt – als Vorsitzende, gegen die Mehrheit der Parteifunktionäre und ihren langjährigen Polit-Partner Thomas Röwekamp.
Mahnke, die SPD-Abgeordnete, hatte die Äußerung ihrem Bremerhavener Vertrauten Bernd Ravens (CDU) erzählt. Und Ravens formulierte tags darauf einen Brief, in dem er die bis dahin nicht öffentlich gewordene Äußerung zitierte und „im Hinblick auf die zu erwartende Außenwirkung“ die Vorsitzende um Stellungnahme bittet. Ravens wählte einen ganz großen Verteiler für den Brief – es dauerte einen Tag, da war der bis dahin interne Vorgang in den Medien.
Mohr-Lüllmann erklärte schriftlich, sie habe das böse Wort von den „kriminellen Machenschaften“ nicht gesagt, das habe ihr auch SPD-Frau Mahnke in einem Telefongespräch bestätigt. Dies wiederum konnte Mahnke nicht auf sich sitzen lassen – Telefongespräch ja, sagte sie, aber zurückgenommen habe sie nichts – das Wort sei gefallen. Ravens hat sich inzwischen bei Mahnke dafür entschuldigt, dass er – ohne sie zu fragen – das informell geführte Gespräch öffentlich gemacht hatte.
Bremerhavens CDU-Vorsitzender Michael Teiser hatte keinen Zweifel daran, dass die SPD-Abgeordnete hier die Wahrheit sagt: „Es ist völlig inakzeptabel, dass eine Landesvorsitzende die Öffentlichkeit belügt“, ließ er sich postwendend zitieren, Mohr-Lüllmann müsse zurücktreten. Und um zu belegen, dass es ihm nicht wie unterstellt nur um den Posten gehe, erklärte er seinen Verzicht auf die Bundestagskandidatur.
Mohr-Lüllmann war angetreten, um zerstrittene Partei-Klüngel zu integrieren. Das ist ihr offenbar nicht gelungen. In der Bremer CDU rechnet man damit, dass sie in den nächsten Tagen das Handtuch wirft. Nicht einmal nach Berlin wegloben würde sie die Mehrheit des Landesvorstandes. Und so braucht die Partei zwei neue Köpfe: einen für den Landesvorstand und einen für den Bundestags-Sitz.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links