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Parlamentswahl in SenegalFolgen auf große Worte auch große Taten?

Die Regierungspartei Pastef erhofft sich eine Mehrheit, um ihre angekündigten Reformen durchsetzen zu können. Doch den Wahlkampf bestimmt vor allem Polemik.

Er ist schon überzeugt: Ein Wahlkämpfer verteilt Armbänder für Pastef in der senegalesischen Hauptstadt Dakar Foto: Zohra Bensemra/reuters

Dakar taz | Gut ein halbes Jahr nach den Präsidentschaftswahlen ist Senegals Bevölkerung am Sonntag erneut zum Gang an die Urnen aufgerufen. Dann wählt das westafrikanische Land ein neues Parlament. Denn im September hatte der frisch gewählte Präsident Bassirou Diomaye Faye das bestehende Parlament aufgelöst und Neuwahlen ausgerufen. Der „Blockadekult“ der Abgeordneten habe eine „offene Zusammenarbeit“ unmöglich gemacht, so Faye.

Von den Neuwahlen erhofft sich Fayes Partei Pastef (Afrikanische Patrioten im Senegal für Arbeit, Ethik und Brüderlichkeit) eine Änderung der Sitzverteilung. Eine Notwendigkeit, um das mit viel Pomp angekündigte politische Programm durchzusetzen. Momentan hält die Partei lediglich 56 der 165 Sitze. Damit sei es ihr nicht möglich, Fayes angestrebten Reformen durchzusetzen, sagt Ababacar Fall, Generalsekretär des senegalesischen Instituts Gradec. Die Forschungs- und Beratungsgruppe arbeitet zu Menschenrechten, Demokratie und guter Regierungsführung.

Mit seinem „Programme de Rupture“ verkörpert Pastef eine neue Art, Politik zu machen. Der Bruch mit der Vergangenheit, der Aufbruch in eine neue Zeit stehen dabei an erster Stelle. Im Wahlkampf hatte die Partei unter Federführung ihres Gründers und jetzigem Premierminister Ousmane Sonko angekündigt, Rohstoffverträge zugunsten des Landes neu verhandeln zu wollen. Auch politische Institutionen sollen reformiert, der Korruption Einhalt geboten, die Lebensbedingungen verbessert und die Arbeitslosigkeit reduziert werden.

Wenn es in den kommenden Monaten keine sichtbaren Ergebnisse gibt, wird eine große Unzufriedenheit in der Bevölkerung entstehen

Fabian Heppe, Heinrich-Böll-Stiftung Senegal

Es sind große Ziele – doch in seinen ersten Monaten an der Macht hat Pastef trotz flammender Ankündigungen wenig mehr als Symbolpolitik betrieben. Die Begründung waren dabei immer die ungünstigen Mehrheitsverhältnisse. Zwar steht die Bevölkerung Senegals nach wie vor mit großer Mehrheit und Begeisterung hinter der Partei, doch die Erwartungen und Hoffnungen sind extrem hoch. „Wenn es in den kommenden Monaten keine sichtbaren Ergebnisse gibt, wird eine große Unzufriedenheit in der Bevölkerung entstehen“, sagt Fabian Heppe von der Heinrich-Böll-Stiftung Senegal. Pastef, allen voran Präsident Bassirou Diomaye Faye, muss liefern – und zwar dringend.

Bei den Wahlen im März hatte Faye deutlich gewonnen

Während alle anderen Parteien in Koalitionen antreten, will Pastef zum ersten Mal allein die Mehrheit holen. Die Chancen dafür stünden relativ gut, sagt der politische Analyst Babacar Ndiaye von der senegalesischen Denkfabrik Wathi: „Der gewählte Präsident hat bislang immer eine Mehrheit im Parlament erhalten. Es gibt da eine Art Kontinuität.“ Bei den Wahlen im März hatte Faye mit 54 Prozent der Stimmen deutlich gewonnen. Es sei nicht davon auszugehen, dass sich die Unterstützung in den vergangenen Monaten drastisch verändert habe.

Die Geschichte seiner Wahl zum Präsidenten, ist die eines steilen Aufstiegs: vom Gefängnis in den Präsidentenpalast, aus der Unbekanntheit zum wichtigsten Mann im Staat. Ein Präsident „par accident“ – per Zufall, wie es oft heißt. Noch dazu im Turbodurchlauf und als Jüngster in der Geschichte des Landes. Anfang März 2024 befand sich der 44-Jährige noch wegen eines regierungskritischen Facebook-Posts in Haft. Mitte März folgte seine Freilassung und die Ernennung zum Präsidentschaftskandidaten, anstelle des eigentlichen Pastef-Vorsitzenden und Präsidentschaftsaspiranten Ousmane Sonko – gerade noch rechtzeitig zur Präsidentschaftswahl am 24. März.

Sonko war aufgrund eines Gerichtsurteils wegen Verleumdung von der Kandidatur ausgeschlossen worden. Stattdessen wurde dieser von Faye in seiner ersten Amtshandlung als Präsident zum Premierminister ernannt: Ein Posten, der erst eigens für ihn geschaffen werden musste.

Besorgnis, dass es zu Unruhen kommt

Seinem konfrontativen Stil bleibt Ousmane Sonko jedoch auch als Premierminister treu. So rief der Politiker in den sozialen Medien zu Rache auf, nachdem es in mehreren Städten zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Anhängern von Pastef und Oppositionsgruppen gekommen war – und ruderte dann am Dienstag zurück. Sonkos Polemik hatte Besorgnis ausgelöst, dass es am 17. November zu gewaltsamen Unruhen kommen könnte.

Im Wahlkampf gab es viel Polemik und wenig Inhalt. Ob sich dies auf die Zusammensetzung des Parlaments auswirken wird, entscheidet sich am Sonntag.

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