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Parlamentswahl in El SalvadorLinke Exguerilla vor der Abwahl

Drei Jahre nach dem Sieg der FMLN ist die Euphorie verflogen: Präsident Funes und die aus der ehemaligen linken Guerilla hervorgegangene Partei zerfleischen sich.

Für ihn könnte es am Wahltag knapp werden: Mauricio Funes. Bild: dpa

SAN SALVADOR taz | Immer öfter fühlen sich ältere Salvadorianer an die Jahre vor dem Beginn des Bürgerkriegs erinnert. Wenn sie über Land fahren, begegnen sie immer wieder Kolonnen von Soldaten, die plötzlich aus dem Gebüsch an den Straßen auftauchen. Auch in den Städten gehören sie mehr und mehr zum normalen Bild.

Die innere Sicherheit ist wieder fest im Griff der Militärs. Nur der Feind ist ein anderer: Es sind die Maras genannten Jugendbanden, nicht mehr die linke Guerilla der FMLN. Denn die ist, zur Partei geworden, seit Mitte 2009 an der Macht. Die Parlamentswahl am Sonntag wird ihre erste Nagelprobe.

Generalsekretär Medardo González ist optimistisch: 43 Abgeordnete seien drin, meint er. Das wäre eine knappe absolute Mehrheit im 84 Abgeordnete zählenden Parlament und die FMLN könnte theoretisch gemeinsam mit dem seit Mitte 2009 amtierenden Präsidenten Mauricio Funes durchregieren.

Die jüngsten Umfragen allerdings deuten eher auf einen Sieg der rechten Arena-Partei hin. Zwischen zwei und sieben Prozentpunkte Vorsprung geben ihr die Meinungsforschungsinstitute.

Partei ist gespalten

Nachdem die Linke drei der vier Parlamentswahlen der vergangenen zwölf Jahre gewonnen hat, muss sie sich diesmal eher auf Ernüchterung einstellen. Und das, obwohl Arena einen schmerzhaften Spaltungsprozess hinter sich hat: Nach dem Wahlsieg von Funes bei der Präsidentschaftswahl von 2009 wurde dessen direkter Vorgänger, der Arena-Mann Tony Saca, für die Niederlage der Rechten verantwortlich gemacht und aus der Partei ausgeschlossen.

Er gründete seinen eigenen Wahlverein Gana und nahm gleich 14 der 32 Arena-Abgeordneten im Parlament mit. Gana schneidet in den Umfragen zur jetzigen Wahl als drittstärkste Kraft ab. Das zukünftige Parlament wird also eher rechts- denn linksdominiert sein.

Die FMLN hat sich den Popularitätsverlust selbst zuzuschreiben. Seit dem Sieg bei der Präsidentschaftswahl streitet sie sich mit ihrem Präsidenten. Denn mit Funes, einem vorher parteilosen Fernsehjournalisten, lässt sich der vorher versprochene Wandel nicht machen.

Militärs in wichtigen Positionen

Funes entpuppte sich als konservativer Regent, der sich lieber von der US-Botschaft als von der eigenen Partei beraten lässt und sich, wenn er Mehrheiten im Parlament sucht, mehr auf Gana verlässt als auf die FMLN.

Am deutlichsten wurde der Dissens im November vergangenen Jahres an eben dem Problem der inneren Sicherheit. Funes entließ das aus alten FMLN-Kadern zusammengesetzte Sicherheitskabinett und besetzte es durchweg mit Militärs, vom Sicherheitsminister über den Polizeichef bis hin zum Leiter des Inlandgeheimdienstes.

Die FMLN protestierte heftig. Dass Militärs in der inneren Sicherheit nichts mehr zu suchen haben, war einer ihrer größten Erfolge beim Aushandeln des Friedensvertrags am Ende des Kriegs. Doch Funes kümmerte das nicht.

12 Tote pro Tag

Er begründete den Wechsel mit der hohen Mordrate von zwölf Toten pro Tag bei knapp 6 Millionen Einwohnern. Seit ein General im Ruhestand Sicherheitsminister ist, stieg die Zahl der Toten auf täglich 13.

Sein Rezept ist das der rechten Vorgängerregierungen, unter denen die Kriminalität explodierte: Maras seien für 90 Prozent der Morde verantwortlich und dagegen helfe nur Repression.

Auch in der Wirtschaftspolitik stellte Funes die FMLN kalt. Die Schlüsselministerien besetzte er nicht mit Parteileuten, sondern mit unternehmernahen Freunden.

Einzig in der Sozialpolitik ist die FMLN noch präsent, und damit wirbt sie nun im Wahlkampf: mit der Abschaffung von Gebühren in öffentlichen Schulen und Krankenhäusern, mit dem Verteilen von Schulmaterialien und Saatgut an arme Familien auf dem Land. Gewonnen aber wird die Wahl in der Hauptstadt San Salvador, die 24 der 84 Abgeordneten stellt.

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