Parlamentswahl in Bulgarien: Klatsche für Bojko Borrissow
Bulgariens umstrittene Regierungspartei bleibt trotz Verlusten stärkste Kraft. Für den Premier könnte das Ende der politischen Karriere nahen.

D ie Bulgar*innen sind nach den wochenlangen Protesten im vergangenen Sommer zum zweiten Mal aufgewacht: Mit rund 25 Prozent der Stimmen bei der Wahl am Sonntag ist die Regierungspartei „Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens“ (GERB) zwar immer noch stärkste Kraft. Doch der Absturz um sieben Prozentpunkte im Vergleich zu 2017 ist eine veritable Klatsche für Premier Bojko Borissow, der den Balkan-Staat seit 2009 fast durchgängig regiert.
Offensichtlich hat die Mehrheit der Menschen genug von Korruption, der schamlosen Bereicherung einiger weniger Mächtiger, Kumpanei mit zwielichtigen Oligarchen sowie einer Verbandelung von Politik und Justiz. Auch ein desaströses Management der Coronapandemie mit einem Zick-Zack-Kurs bei Lockdowns nebst explodierenden Infektionszahlen dürfte zum Ergebnis der GERB beigetragen haben.
Besonders erfreulich ist, dass die nationalistische VRMO-Partei, die bislang mit in der Regierung sitzt, wohl nicht mehr den Sprung ins Parlament schaffen wird. Hetze gegen Homosexuelle und gegen die Minderheit der Roma zahlt sich nicht mehr aus. Das Gleiche gilt für die plumpe Stimmungsmache gegen den Nachbarn Nord-Mazedonien, dessen Ambitionen auf Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit der EU Sofia im vergangenen Jahr blockierte.
Eindeutig profitiert von der Abstrafung der alten Parteien haben das Anti-Korruptionsbündnis „Demokratisches Bulgarien“ und vor allem die Anti-Establishment-Partei des Showmasters „Slawi“ Trifonow, die es mit knapp 19 Prozent auf Anhieb auf den zweiten Platz schaffte.
Doch was jetzt? Die Regierungsbildung kommt einer Quadratur des Kreises gleich. Schon stehen Neuwahlen im Raum, was monatelangen Stillstand bedeuten würde. Und Borissow? Der redet einer Expertenregierung das Wort – ein Szenario, von dem er im Sommer 2020 noch nichts wissen wollte. Damals hieß seine Devise: Aussitzen. Doch damit ist es jetzt vorbei. Ja, mehr noch: Diese Wahl könnte sogar das Ende der politischen Karriere von Borissow bedeuten. Das wäre eine wirklich gute Nachricht.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!