Parlamentswahl im Kosovo: Absage an die Korruption
Lange regierten ehemaligen Milizionäre den Kosovo, das brachte Korruption und Stagnation. Neue Kräfte wollen das überwinden, doch das wird schwer.
Dicht dahinter folgte ihr die moderat-konservative Demokratische Liga des Kosovos (LDK), die mit ihrer Spitzenkandidatin, der Juristin Vjosa Osmani, auf 25 Prozent der Stimmen kam. Den dritten Platz belegte die Demokratische Partei des Kosovos (PDK), die von Staatspräsident Hashim Thaçi dominiert wird, mit 21,2 Prozent der Stimmen. Die Allianz für die Zukunft des Kosovos (AAK) des nur zwei Jahre amtierenden Ministerpräsidenten Ramush Haradinaj kam auf 11,6 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag laut Wahlkommission bei 44 Prozent und damit 2,5 Prozentpunkte höher als 2017.
Kurti ließ sich um Mitternacht von seinen Anhängern auf dem Skanderbeg-Platz im Zentrum von Prishtina als Wahlsieger feiern. „Wir haben die Republik vor der Geiselnahme durch die Politik gerettet“, hatte er zuvor im Fernsehsender T7 erklärt. „Heute haben wir diesem Drama ein Ende bereitet.“ Er werde sich um eine rasche Regierungsbildung bemühen, fügte er hinzu.
Der Wahlausgang dürfte jedenfalls das Ende der langjährigen Dominanz der PDK über die kosovarische Politik bedeuten, einer Partei, die aus der Aufstandsmiliz UÇK hervorgegangenen ist. In den Augen der meisten Bürger waren dies vergeudete Jahre, die durch eine ineffiziente und korrupte Staatsverwaltung geprägt waren. Es waren Jahre, in denen die Dynamik nach der Unabhängigkeitserklärung der Republik Kosovo im Jahr 2008 weitgehend verpuffte.
Auch Wahlsieger Kurti ist nicht unumstritten
Keine Regierung in dieser Ära hielt ihr vierjähriges Mandat durch. Die vorgezogene Wahl vom Sonntag war erforderlich geworden, weil Haradinaj im Juli zurückgetreten war. Er musste sich einer Befragung durch das Kosovo-Sondergericht in Den Haag unterziehen. Der ehemalige regionale UÇK-Kommandeur sieht sich mit Vorwürfen wegen Kriegsverbrechen in den 1990er Jahren konfrontiert.
Haradinaj hatte an der Spitze der „Kriegskoalition“ regiert, die aus PDK, AAK und der kleineren Nisma-Partei bestand. Mit seinem Rücktritt im Juli kam er dem Zerfall dieses Bündnisses zuvor. Die drei UÇK-Nachfolgeparteien traten bei dieser Wahl gegeneinander an. Nisma muss mit einem vorläufigen Ergebnis von knapp unter 5 Prozent um den Einzug ins Parlament bangen.
Aber auch der Wahlsieger Kurti ist keine unumstrittene Persönlichkeit. Früher hatte er sich durch eine neomarxistische, westkritische und nationalistische Rhetorik ausgezeichnet. In der Zeit der internationalen Verwaltung übten er und seine Gefolgsleute Gewalt gegen deren Fahrzeuge und Gebäude aus. Im Parlament zündeten seine Abgeordneten gelegentlich Tränengasgranaten. Zuletzt trat er aber deutlich gemäßigter auf.
Um regieren zu können, wird sich Kurti um eine einigermaßen stabile Koalition bemühen müssen. Trotz großer ideologischer Gegensätze gilt die LDK als wichtigster potenzieller Partner. Sie wurde von Ibrahim Rugova gegründet, der 2006 starb und in den 1990er Jahren den gewaltlosen Widerstand gegen die serbische Herrschaft angeführt hatte. An diesem hielt er selbst dann fest, als die UÇK 1998 ihren bewaffneten Aufstand startete. Kurti betätigte sich in jener Zeit als Sprecher des politischen Flügels der UÇK und wurde dafür von Serbien ins Gefängnis geworfen.
20 Sitze sind für ethnische Minderheiten reserviert
Verkompliziert wird die Regierungsbildung im Kosovo durch das noch von der internationalen Gemeinschaft vor 2008 konzipierte Wahlrecht: Nur 100 der 120 Sitze werden nach dem Prinzip der Proportionalität vergeben. 20 Sitze sind für verschiedene ethnische Minderheiten reserviert. Den Serben, der stärksten unter ihnen, stehen davon zehn Sitze zu.
Deren Vertreter werden von der Regierung in Belgrad gelenkt, die sich mit dem Verlust des Kosovos bis heute nicht abgefunden hat. Auch Russland, China und fünf EU-Länder erkennen die 2008 erklärte Unabhängigkeit der ehemals serbischen Südprovinz nicht an. Bemühungen der EU, über Verhandlungen eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Serbien und dem Kosovo zu erreichen, blieben bislang erfolglos.
Rugovas gewaltloser Widerstand begann vor 30 Jahren, nachdem Serbien unter seinem damaligen Führer Slobodan Milošević die Autonomie der hauptsächlich von Albanern bewohnten Provinz aufgehoben hatte. Der spätere UÇK-Aufstand von 1998/99 hatte eine massive serbische Repressionswelle mit Tötungen und Vertreibungen von kosovoalbanischen Zivilisten nach sich gezogen. Die Nato hatte 1999 mit Bombardierungen gegen Serbien interveniert, so dass Belgrad seine Verwaltung und Sicherheitskräfte aus dem Kosovo abzog. Von 1999 bis 2008 hatte die UN-Mission Unmik das Land verwaltet.
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