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Parkplatzkrieg jetzt auch gegen Radfahrer

■ Verkehrssenator untersagt Bezirken, auf Straßen Stellfläche für Fahrräder zu schaffen / Luftverschmutzung befürchtet

Die Verkehrsverwaltung hat den Bezirken untersagt, auf Parkplätzen Abstellflächen für Radfahrer zu reservieren. In einem Brief an alle Tiefbauämter heißt es, „Ausnahmegenehmigungen wären nicht begründet und daher zu versagen“. Die kuriose Argumentation gegen Parkflächen für das umweltfreundlichste Verkehrsmittel im Straßenbild: Bei weniger Stellplätzen müßten Autofahrer länger suchen, was zu zusätzlichen Verkehrsbeeinträchtigungen und Luftverschmutzung führen würde.

Das der taz vorliegende Schreiben mit Kopf des Polizeipräsidenten in Berlin war den 23 Tiefbauämtern bereits im September vergangenen Jahres zugestellt worden – wurde aber erst jetzt bekannt. Damals hatte Schönebergs Bürgermeister Uwe Saager (SPD) Geschäftsleute aufgefordert, Anträge für „Fahrrad-Parkplätze“ zu stellen. „Wir werden die Anträge positiv entscheiden“, hatte Saager angekündigt. Gegenüber der taz bewertete gestern Baustadträtin Sabiner Ritter (Grüne) das Schreiben als „fatal“. Der Senat schneide die Verkehrspolitik nur noch auf motorisierte Teilnehmer zu. CDU und Verkehrssenator Herwig Haase (CDU) drängen darauf, die Zahl der Parkplätze für Autofahrer zu erhöhen – sogar das Parken auf Gehwegen soll erlaubt werden (taz vom 21.1.).

Welche Folgen die Blockade durch die Verwaltung hat, werde am S-Bahnhof Schöneberg deutlich, erläuterte die Stadträtin. Eine Abstellmöglichkeit sei dort „zwingend nötig“, doch der Gehweg sei für Zweiräder zu eng. Ein Autostellplatz in der angrenzenden Ebersstraße für Biker dürfe jetzt aber nicht mehr bereitgestellt werden. Auch bei Baustellen dränge die Verwaltung inzwischen darauf, Container und Material nicht mehr auf Parkplätzen, sondern auf Fußwegen abzustellen.

Verwaltungssprecher Tomas Spahn bestätigte, daß es bei der Weisung aus seinem Haus nicht um rechtliche Fragen, sondern um politische Vorgaben gehe. Bei der Parkplatznot gehöre das Rad „in die zweite Reihe“. Innerhalb des S-Bahn-Rings (1,1 Millionen Einwohner) könnten auf Straßen die sogenannten Kreuzberger Bügel, an denen Drahtesel sicher angeschlossen werden können, nicht erlaubt werden. Diese Politik widerspreche nicht der Koalitionsvereinbarung, nach der alle Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt behandelt werden sollen, meinte Spahn. Gleichberechtigung bedeute nicht, daß Radfahrer etwa bei vierspurigen Straßen in der Mitte fahren dürften.

Matthias Wendt vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) beklagte den „Zentralismus schlimmster Art“. Der Verkehrssenator solle die Bezirke eigenverantwortlich über die Nutzung von Parkplätzen entscheiden lassen. Autos könnten auch durch Reduzierung der Abstellflächen aus der Innenstadt herausgehalten werden. Der Brief an die Bezirke, so sagte Matthias Wendt, „verschlägt einem die Sprache“. Dirk Wildt

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