Parkplätze besetzen: Auf die Parkplätze, fertig, los!
Weltweit fanden gestern die Parking Days statt. Die Initiative RepairBerlin besetzte Parkplätze in der Friedrichstraße. Zwischen Mercedes und Modeboutiquen wurde getanzt und gegärtnert.
Auf der Friedrichstraße fiele Anja Steglich mit ihren engen, dunklen Jeans und den Lederstiefeln nicht auf, würde sie nicht gerade einen Rollrasen auf einem Parkplatz verlegen. Neben einem roten Mercedes SLK und gegenüber der Deutschen Bank hat sie ihren Platz gefunden. Bezahlt hat sie ihn mit einer Handvoll Euromünzen, die sie in den Parkautomaten geschmissen hat. " ,Park' steckt ja schon im Wort ,Parkplatz' drin. Wir wollen kleine Parks in der grauen Betonlandschaft entstehen lassen", sagt Steglich.
Weltweit fanden am Freitag in vielen Metropolen sogenannte Parking-Day-Aktionen wie die von der Initiative RepairBerlin statt. Der Trend stammt aus San Francisco und wurde 2005 von einer Gruppe aus Architekten, Künstlern und Urbanisten initiiert. Die Methode ist einfach: Parkplatz mieten, Rasen ausrollen, darauf tanzen, essen, trinken - eben Spaß haben.
Sechs Projekte wurden von RepairBerlin aus 20 Bewerbern ausgewählt. Sie sollen in einem Wettbewerb gegeneinander antreten. Die Palette der Wettstreiter ist bunt gemischt: Transition Town, eine Energiewende-Initiative, will von den Besuchern wissen, wie die autofreie Stadt aussieht, und lässt sie ihre Vorstellungen auf eine Leinwand malen. Am Parking der Guerilla Gardener vom "Prinzessinnengarten" darf jeder Passant in einem Biogemüsecontainer gärtnern.
Wichtigste Regel bei diesen Aktionen ist es, stets die Passanten einzubeziehen. "Unser Ziel ist es, eine neue Situation der Begegnung in der Stadt zu schaffen. Die Berliner sollen wieder Spaß an ihrer Stadt haben", so die Organisatorin Paula Hildebrandt, die derzeit über kulturelle Aktionen und alternative Raumnutzung in der Stadt promoviert. Die Stadt sei nicht nur zum Konsumieren da, sondern gehöre den Bewohnern und Passanten. Hildebrandt hat für ihr Konzept deshalb einen "Reparaturtrupp" aufgebaut.
An den jeweiligen Parking- Stationen steht ein Infoteam, das die Fußgänger nach ihren Ansätzen für ein schöneres Berlin befragt. Die Passanten entscheiden auch, wer von den sechs Gruppen den Wettbewerb gewinnt. Die Ergebnisse der Umfrage sollen am Wochenende im Berliner Fenster in der U-Bahn zu sehen sein.
Das Interesse ist groß: Immer wieder bleiben Leute stehen, schauen den Aktivisten zu und machen irgendwann tatsächlich mit. Insbesondere bei den Damen von aquatectura. Die Architektinnen des Landschaftsarchitekturbüros laden zum rhythmischen "Rollrasensamba" ein. Der Rasen nimmt etwa die Fläche eines Kombis ein. Die Tänzer tragen Crocks und sollen "Berlins Rhythmus in Form von Fußabdrücken auf dem Gras hinterlassen", so Grit Bürgow, die das Projekt mit organisiert. "So etwas habe ich noch nie gesehen!", staunt eine amerikanische Touristin. Eine Verkäuferin tritt aus ihrer "Frankonia"-Jagdboutique und lacht laut auf: "Wir sind schon etwas verwundert, dass die hier echten Rasen hinlegen."
Nach zwanzig Minuten ist allerdings auch die Polizei da und schreibt sich Paula Hildebrandts Personalien auf. Schließlich sei das, was auf den Parkplätzen gerade passiere, eine Zweckentfremdung. Paula Hildebrandt sagt, sie habe beim Ordnungsamt angerufen. Die hätten ihr zwar keine Erlaubnis erteilt, aber auch keine Angaben gemacht, wie sie die Aktion anmelden könne. Viel wird die Polizei an diesem Nachmittag aber nicht mehr unternehmen können. "Beim Ordnungsamt erreichen wir um diese Uhrzeit niemanden mehr. Da müssen wir am Montag weitersehen", sagt der Polizist.
Dann werden die Aktivisten von RepairBerlin aber schon lange spurlos verschwunden sein. Unter ihren Rollrasen haben sie Plastikplanen ausgelegt, um der Stadtreinigung die Arbeit zu erleichtern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen