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„Paramilitärische Einheiten“ gegen Ladendiebe

■ Tengelmann engagiert privaten Sicherheitsdienst „Berliner Wache“

Für die 70 Kaufleute, die zur Auftaktveranstaltung der „Aktionswoche gegen Ladendiebstahl“ gekommen sind, hat sich Organisator Nils Busch-Petersen vom Einzelhandelsverband Berlin etwas Besonderes ausgedacht: eine Videovorführung über neue Sicherheitsmodelle. Ein Saaldiener dämpft das Licht, und es wird ganz still im Festraum der Berliner Volksbank am Kaiserdamm.

Erste Einstellung: Etwa 30 Uniformierte fahren auf weißen Enduro-Motorrädern in Formation ganz dicht vor die Kamera. Auf das Bild wird das Logo „Berliner Wache“ geblendet. Schnitt. Im Kraftraum: Schnauzbärtige Männer und eine Frau stemmen Gewichte. Schnitt. Sie laufen durch den Wald. Sprecher: „Die Berliner Wache hat ein junges, dynamisches Team.“ Neue Einstellung: Ein Ausbilder erklärt einem erstaunten Sicherheitsmann, daß die Tasten eines Mobiltelefons genauso bedient werden wie die eines normalen Telefons. Sprecher: „Unser Team erhält eine umfangreiche Ausbildung.“ Happy-End: Ein Dieb in einer Tengelmann-Filiale wird festgenommen.

Nach dem Film meldet sich ein Kölner Einzelhändler. „Ich weiß nicht, ob ich hier in einer Werbeveranstaltung für private Schutzunternehmen bin. Jedenfalls sollten wir nicht durch paramilitärische Einheiten unsere Geschäfte schützen lassen.“

Hedde Grisstede, verantwortlich für Warensicherung bei Tengelmann, hat für Berliner Filialen ab November einen Vertrag mit dem im September gegründeten privaten Schutzunternehmen abgeschlossen. Mit dem Film will er Einzelhändler für die „Berliner Wache“ interessieren. „Ich hab' doch extra Wert gelegt auf graue Uniformen“, wehrt er sich gegen den Vorwurf, paramilitärische Einheiten zu beschäftigen. Die „Berliner Wache“ sei hervorragend ausgebildet.

Auf dem Podium schüttelt Michael Lemke, im Justizministerium Brandenburg zuständig für Strafsachen, ungläubig den Kopf. Über die „umfangreiche“, nur drei Monate dauernde Ausbildung lacht er: „Die machen Bodybuilding und Kampfsport.“

Wenn Hilfssheriffs gegen Ladendiebe vorgehen, liefen sie Gefahr, ihre rechtlichen Befugnisse zu überschreiten. Oft sei ihnen nicht bewußt, daß sie nur bei Fluchtgefahr das Recht haben, Personen festzuhalten und zu identifizieren. Gewalt ausüben dürften sie schon gar nicht. „Ich würde solchen Leuten meine Daten verweigern“, sagt der ehemalige Richter. Nils Klawitter

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