: Parallele
■ betr.: "Der Fall Stolpe spaltet die Brandenburger CDU", taz vom 17.9.92
betr.: „Der Fall Stolpe spaltet die Brandenburger CDU“,
taz vom 17.9.92
Das Tauziehen mit Herrn Stolpes Vergangenheit finde ich empörend. [...] Wenn ich bedenke, in was für hohe Ämter ehemalige hohe Nazibeamte 1945 in der BRD übernommen wurden, deren reaktionäre Einstellung als vielseitiges Samenkorn in manch vorbereiteten Boden fielen, was ja auch mit dazu beitrug und beiträgt, daß dieser nationale Sozialismus schon wieder zu einer Gefahr nicht nur für uns Deutsche wird, dann könnte ich heulen.
Beim Lesen eines Manuskriptes vom 10.1.89, gesendet vom NDR in einer Co-Produktion, anläßlich des 70. Todestages von Rosa Luxemburg unter dem Motto: „Ich habe verdammt Lust, glücklich zu sein“, fand ich eine recht gut vergleichbare Parallele aus der damaligen Zeit mit dem Fall von Herrn Stolpe. Auf Seite 16 und 17 ist dort zu lesen:
„Rosa Luxemburg lernt Mathilde 1913 kennen. In dieser Zeit unterhält Mathilde Jacob ein gut laufendes Übersetzungs- und Schreibbüro. Mathilde Jacob setzt sich mit den ihr anvertrauten Manuskripten ernsthaft auseinander und entwickelt so zu den sozialistischen Ideen zunehmend Sympathien. Und wahrscheinlich ist es diese Nähe, die sie später, als sie fast ausschließlich für Rosa arbeitet, veranlaßt, jeden Brief, jede Notiz, jedes Dokument von ihr sorgsam aufzubewawhren. Erst jetzt wurden Briefe von ihr aus den Jahren 1933-45 gefunden. Ihr wohl größtes Verdienst ist es, wie Heinz Knobloch erzählt, alle Erinnerungen an Rosa Luxemburg der Nachwelt bewahrt zu haben. Alle Gefängnis-Briefe und -Aufzeichnungen von R., aber auch ihre eigenen, hat Mathilde Jacob noch selbst kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges und ihrer Deportation in ein KZ einem amerikanischen Dokumentensammler übergeben können, der von der Hoover-Stiftung beauftragt war, wie Heinz Knobloch herausfand:
Und es kommt dann durch New Yorker Freunde der amerikanische Professor Lutz, der schon 1919 hier gewesen ist in Berlin und Plakate erworben hat, Zeitungen, Bibliotheken. Man hat in dieser Hoover-Stiftung/Californien systematisch europäische Geschichte gesammelt, und auch ganz speziell deutsche.
Er hat ja bis weit in die Nazizeit hier gesammelt, und es war so schlimm, daß er von Hitler einen Orden kriegte, und jetzt diese Zwickmühle: Lehnt er den Orden ab, braucht er sich hier nicht mehr sehen zu lassen, nimmt er ihn an, ist er im Grunde erledigt für seine Freunde und Kollegen in USA. Also man nimmt von diesem Hitler 1938 keine Auszeichnung. Er hat den Orden genommen, und er hat (lacht) mit Hilfe dieses Ordens dann, hier noch bis Beginn des Krieges, also bis September 1939, hier Dinge rausgeholt, und darunter bei Mathilde sämtliche Briefe, weit über 150 von Rosa Luxemburg, ein Gefängnistagebuch, ein Herbarium, Wäschezettel, Leihscheine aus der Bibliothek und auch sicher noch ein paar andere Dinge von Mehring und Zetkin, also eine Fundgrube. Sonst wüßten wir das alles nicht, sonst hätten wir das alles nicht, und Mathilde als wirklich überlegt Frau, also er mußte sich mit einem geheimen Code zu erkennen geben. Schade, daß wir das alles nicht mehr genau wissen, es ist sehr abenteuerlich, und wir können uns nur freuen, daß das geklappt hat. Zum anderen, nach der Kenntnis dieser Briefe, denk ich manchmal, ja warum ist es nicht möglich gewesen, daß vielleicht die Hoover-Stiftung die Bibliothek, diese 300 Dollar für das Evidavid gegeben oder ausgelegt hat, daß diese Frau hier rauskommt und in Amerika in aller Ruhe ihre sämtlichen Erinnerungen an Spartacus, sie hat ja alles mitgebracht von 1914 an, daß sie die zu Papier bringt, diese Frau war, ja wie sagt man, lebende oral history, nicht? Und ich glaube, diese Chance hat man versäumt.“ Irma Jasper, Schwedt
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