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Papst-Rede im BundestagIm Herzen des Staates

Der Papst kommt, viele wollen ihn nicht sehen. 100 Abgeordnete werden Benedikt XVI. im Bundestag boykottieren. Der Linke Jan Korte fehlt "aus Höflichkeit".

"Ob da ein alter Mann mehr oder weniger redet, ist doch egal." Bild: dpa

BERLIN taz | Jan Korte zählt sich "zur höflichen Linken". Das könne man schon daran erkennen, so der 34-jährige Bundestagsabgeordnete, dass er den Plenarsaal nicht verlässt, wenn der Papst dort am Donnerstag spricht. Er werde - höflichkeitshalber - erst gar nicht zum Termin erscheinen. "Ich mag es ja auch nicht, wenn Leute mitten in Ansprachen aufstehen und rausgehen."

So weit, dass Abgeordnete unter Getöse den Saal verlassen, wird es also wohl nicht kommen, wenn der Papst im Parlament spricht. Aber es werden etwa hundert Abgeordnete fehlen: Abgeordnete, die missbilligen, dass ein geistliches Oberhaupt im Parlament sprechen darf.

Einer von ihnen ist der SPD-Abgeordnete Rolf Schwanitz. Der 52-jährige Thüringer sagt, das Gebot der weltanschaulichen Neutralität werde verletzt, wenn dem Papst "in der Herzkammer des Staates" ein Podium geboten wird. Statt im Saal wird Schwanitz sich "mit vielen anderen laizistischen Sozis an der Berliner Demonstration gegen den Papstauftritt im Bundestag beteiligen". Wer aus seiner Fraktion sich ihm anschließt, darüber möchte er nichts sagen. Nur so viel: "Mir wurde von Anrufen von Vertretern der katholischen Kirche bei Abgeordneten berichtet, um diese unter Druck zu setzen."

Das Katholische Büro (KB), die Lobbyorganisation der Bischöfe in Berlin, weist das zurück. Dessen Leiter, Prälat Karl Jüsten, sagte zur taz: "Mit ist nicht bekannt, dass ein Würdenträger in verantwortlicher Stelle Druck auf Parlamentarier ausgeübt hat."

Dass Abgeordnete Religionsfreiheit so verstehen, diesem Termin fernzubleiben, dafür hat der religionspolitische Sprecher der Linken volles Verständnis. Raju Sharma, 47, sagt: "Wir sind alle nur unserem Gewissen verpflichtet." Er plädiert aber für mehr Respekt: "Wir sollten mal die Kirche im Dorf lassen. Der Papst ist eingeladen, er ist Gast." Ratzinger halte ja im Bundestag keinen Gottesdienst ab.

Plenarsaal muss aufgestuhlt werden

Etwa die Hälfte seiner sechsundsiebzigköpfigen Linke-Kollegen will nicht teilnehmen, das habe ein Test bei der Fraktionssitzung ergeben. Dabei, so Sharma, habe "die Linke eine Menge programmatischer Übereinstimmungen mit der katholischen Kirche: etwa das Verbot von Rüstungsexporten, die Stärkung der Entwicklungszusammenarbeit und den Einsatz für Frieden".

Was passiert mit den frei bleibenden Plätzen? Die Bundestagsverwaltung informiert, da werde nichts frei bleiben. Es gäbe so viele Anmeldungen von ausgeschiedenen Abgeordneten, dass man hinten im Saal für sie und die fünfzigköpfige Delegation des Vatikans "aufstuhlen" werde.

Und wenn doch Lücken klaffen? Der Linke Sharma erklärt, die vorderen zwanzig Plätze, also die, die man im Fernsehen sieht, "werden besetzt sein, das wird gar nicht so schlecht aussehen." Er glaubt nicht, "dass Sozialdemokraten bei uns Platz nehmen. Wir haben nämlich genug frühere SPDler in unseren Reihen."

Eine, die ihren Platz nicht hergibt, ist die Linke-Abgeordnete Halina Wawzyniak. Schließlich, sagt sie, "bin ich ins Parlament gewählt, und da höre ich mir das an. Als Atheistin sage ich mir: Ob da ein alter Mann mehr oder weniger redet, ist doch egal."

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14 Kommentare

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  • FU
    Freiheit und Demokratie

    Herbert schreibt:"Wenn der Dalai reden sollte wären alle begeistert." Gemeint ist vor dem Bundestag. Richtig ist: Eine Rede vor dem Deutschen Bundestag wurde dem Dalai Lama nicht gestattet. Begründung: Trennung von Staat und Kirche in Deutschland. Er sprach dann am Brandenburger Tor.

    Aber im Hessischen Landtag hat er schon geredet.

    Vielleicht ist die Trennung von Staat und Kirche in Hessen was anderes.

  • H
    Hubert

    In Deutschalnd sind Kirche und Staat bewusst voneinander getrennt. Dies sollte auch im Bundestag so sein, dort hat ein Geistlicher der sich in religiös-vernebelten Ansichten wiederfindet nichts zu suchen und schon agr nicht zu sprechen. Und zwar weder Papst noch Dalai noch Allah persönlich.

    "Religion ist Opium für das Volk" und nun setzen wir ganz Deutschland unter Drogen. Da hat die Polizei viel zu tun.

  • H
    Herbert

    Dass da ein Staatsoberhaupt redet scheinen die meisten nicht zu kapieren. Wenn der Dalai reden sollte wären alle begeistert. Wenn der Papbst redet, der auch immerhin für einen nicht zu unterschätzenden Teil an Katholiken im Land spricht schreit die ganze linke Riege empört auf. Gerade die Linken sollten sich da mal ganz schön zurückhalten, wenn es nach ihnen ginge gäbe es keine Religion mehr im Land (DDR läßt grüßen!).

  • D
    Dirk

    Ernsthaft, wer ist für diese unsinnige Idee verantwortlich!?!?

    Irgendwie hat es der Hohepriester geschafft, einen Propagandatermin im Bundestag zu bekommen.

    Soviel zum Thema "Trennung von Staat und Kirche".

    Was wird seine Botschaft sein?

    -Die katholische Kirche braucht mehr Einfluß auf Staat und Gesellschaft.

    -Die Kirchensteuer muß erhalten und ausgebaut werden.

    -Nur der katholische Glaube ist der richtige, andere Religionen dürfen nicht unterstützt werden.

    -Etc.

    Das wird nicht offen formuliert, aber das sind die Ansichten dieser Sekte.

    Und es ist leider wie immer, nur wenige Parteimitglieder haben wirklich Interesse an der Trennung von Staat und Kirche, oder an der Abschaffung von etwas so mittelalterlichem wie der Kirchensteuer. Soetwas könnte Wählerstimmen kosten.

    Aber den Mann in den Bundestag zu lassen ist grob fahrlässig! Das zeigt dem Rest der Welt mal wieder, wie stark der katholische Einfluss auf unsere Politik ist. Ich hoffe auf grosse Lücken in den Sitzreihen.

  • JC
    Jan Christoph

    Wenn die Anwesenheit dieses Herrn im Parlament die Möglichkeit zur Debatte und damit zur Öffentlichmachung seiner weltfremden

    und menschenfeindlichen Ziele diente, wäre das eine gute Sache. Aber jemand, der billigend in kauf nimmt, daß ganze Nationen im Elend versinken durch Aids und Überbevölkerung, um nur die schlimmsten Verfehlungen des "Unfehlbaren" zu nennen, dem darf nicht unser Parlament als Forum dienen. Der darf nicht unwidersprochen seine gefährlichen Thesen verbreiten!

  • P
    polyphem

    Im Olympiastadion kann der Papst ja vielleicht den Guinness - Rekord für Lifeauftritte im Bereich comedy verbessern, den bisher Mario Barth hält.

  • D
    Djibrila

    Wenn der politische Christianismus dazu beiträgt, die gewaltsamen Plünderungsversuche von Afghanistan und anderen Ländern zu stoppen, solls mir Recht sein daß der Papst im Bundestag auftritt.

     

    Hoffentlich tritt er auch mal für das Existenzrecht Palästinas ein!

  • K
    Kaufinteressentin

    Ja ja ja, schon gut.

     

    Was mich an dieser Stelle viel mehr interessiert:

    Das Bildchen zum Schwerpunktthema "Der Papst kommt" zeigt offenbar etwas wie ein Papst-Lichterkette oder etwas ähnliches.

     

    Meine Fragen an die taz:

    1. Was ist das genau?

    2. Kann ich das im taz-Shop bekommen?

    3. Wenn ja, wie teuer???

    4. Wenn nein, wo denn dann???

  • AM
    alter Mann

    Ihren Kommentar hier eingeben

    Gibt es bei dem Besuch des Herrn Papst mit Gefolge auch ein Damenprogramm?

  • W
    wuff

    Ratzi sagte:

     

    "Der christliche Glaube beseelt seit mehr als fünf Jahrhunderten das Leben und die Kultur der indianischen Völker dieser Länder.... Tatsächlich hat die Verkündigung Jesu und seines Evabgeliums zu keiner Zeit eine Entfremdung der prä-kolumbischen Kulturen mit sich gebracht und war auch nicht die Auferlegung einer fremden Kultur."

     

    So weltfremd sprach er am 13.5.07 in Brasilien, ohne rot zu werden.

     

    Was will er uns diemal erzählen?

  • B
    Biks

    Der Papst ist u. a. das Staatsoberhaupt des Vatikan und es ist wohl durchaus üblich, dass Oberhäupter anderer Staaten im Bundestag reden. Interessant wäre nun, ob es dafür allgemein anerkannte Kriterien gibt oder ob jedem Staatsoberhaupt diese Möglichkeit gegeben wird, wenn es diesen Wunsch hat. Falls es solche Kriterien gibt, sollten sie natürlich auch auf den Papst angewandt werden.

  • WB
    Wolfgang Banse

    Papst Benedikt XYI kommt nicht an

    Papst Bebnedikt kommt zu Besuch,doch niemand nimmt Interesse daran ,so hat man den Eindruck.Zeigt dies nicht aus den Stellenwert,des katholischen Glaubens,der katholischen Kirche.Die Zeite sind vorbei,wo man der Kirche den Hof macht.Nur hat sich dies noch nicht überall herum gesprochen.Das Kirchenaustrittsjahr macht rechtzeitig bevor Papst BenediktXVi den deutschen Boden küsst auf sich aufmerksam,mit Plakaten,so am Rosenthaler Platz in Berlin mit dem Slogan:Neheme ist seliger als Geben.

    Es sollte eine Grundsatzrede sein,die Papst Benedikt XVi im Bundestag hält,keine Predigt mit Bibelsprüchen bestückt,keine missionarische Ansprache.In dieser Ansprache hat Papst BenediktXVi dieChance Boden und Vertrauen in den katholischen Glauben wieder gut zu machen.Die Chance sollte er nicht vergeben um seiner Selbstwillen und der katholischen Kirche.

  • W
    wespe

    Ja, der "Papst ist eingeladen, er ist Gast." ++ Auch wenn kein Gottesdienst abgehalten wird, ist er in seiner "Funktion als Papst" eingeladen; diese wird nicht nach Feierabend abgelegt wie Straßenkleidung. Weiterhin ist es Schön-Rederei zu sagen, dass Politiker nur ihrem Gewissen verpflichtet sind. Dieses Gewissen vermisse ich immer wieder. "Verbot von Rüstungsexporten" und "Einsatz für Frieden"? Ha, immer wieder wurden Länder auch von Deutschen (um ein paar Ecken) mit Waffen beliefert, gegen die man anschließend antreten muss. Und schließlich zieht man eigenmächtig mit bewaffneten Kriegern in andere Länder, um sich dort mit Waffengewalt für Frieden einzusetzen. ++ Heuchlerische Bagage!

  • L
    libertador

    Wie sind Linke, Grüne, FDP und SPD eigentlich darauf gekommen den Papst einzuladen oder der Einladung zuzustimmen? Das ist die Frage, die man den Entsprechenden stellen müsste. Es scheinen ja zumindest in der Fraktion die Linke nicht wenige Abgeordnete damit nicht einverstanden zu sein.

    Wie kommt die Fraktion dann darauf das Einverständnis zu erklären.