■ Pappplakate (Propagandaserie Teil 7): Kongeniale Bildaufteilung
Kennen Sie dieses Problem? Da sitzt man vor der Schreibmaschine – heute wohl eher an der Tastatur – und will was schreiben. An einen Freund, an die Stadtwerke oder das Amtsgericht. Und plötzlich wird einem schlecht. Weil einem der Freund die Freundin ausgespannt hat. Weil einem die Stadtwerke eine völlig, total überzogene Rechnung geschickt haben. Oder weil das Amtsgericht wegen der absichtlich vergessenen Rechnung plötzlich gegen einen urteilen will. Und dann wird einem schlecht.
Im Normalfall läßt man die Schreibmaschine – oder die Tastatur – einfach in der Ecke stehen. Als Journalist ist das problematisch. „Wir müssen aber die Serie über Wahlplakate fortsetzen. Wir können nicht willkürlich Parteien auslassen.“ Das schreien die KollegInnen. Oder würden es tun, wenn man die Zeitung mit Löchern erscheinen ließe. Außerdem ... „und immer an die Leser denken“. Also! Hilft nichts – schreiben. Auch wenn einem schlecht wird, wenn man über diese rechtsextreme Partei Worte zu Papier bringen soll, deren Namen man nicht in den Mund nehmen will – DVUuuuuuuuaaaah. Vor allem, wenn der Spitzenkandidat auch noch den gleichen Nachnamen hat, wie man selber.
Also nix wie ran: Starten wir mit der Betrachtung des kongenialen Fotos der Foto-Kollegin Julia Baier: Im Fordergrund das zerstörte, das gefallene Plakat. Gleichzusetzen mit dem Rausschmiß der rechten Brüder aus der Bürgerschaft 1995? Dann der Rechtsabbiegerpfeil. Zeichen für die üble Gesinnung der Partei mit dem unaussprechlichen Namen? Weiter geht's zu hoch hängenden Papptafeln. Ja, wollen die denn so hoch hinauf. Das sind fast fünf, sechs Meter. Wollen die etwa fünf, sechs Prozent bei der Wahl? Schauen wir mal (genauso wie AfB-Spitzenkandidat Andreas Lojewski auf seinem Plakat. Ja genau, da ganz klein, links (sic!) neben der Litfaßsäule. Nicht zu verwechseln mit Wolfgang Petri.) Und dann endlich kommt der Hoffnungs-schimmer. Das Schild – in grün: Weser steht da drauf. Der Fluß, oh seelige Inspiration der Fotokollegin Baier! Oh, seelige Vorhersehung! Die Partei, die hier nicht genannt werden soll, geht bei den Bürgerschaftswahlen wieder den Bach runter. Uff! Kongeniale Bildaufteilung!
Aber halt, da war doch noch was. Ach ja – was treibt diese Meschpoke in den Wahlkampf? Kann man vernachlässigen. Bis auf eine Forderung, die halbrichtig ist: „Weniger Geld ins Ausland, mehr Geld nach Bremen!“ Klasse Vorschlag, dann müßte der Kollege K.W. nicht mehr ständig über den Länderfinanzausgleich schreiben.
Jeti/Foto: Julia Baier
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