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Papiermühle soll Paradies zerstörenDie Rache der Kapitalisten

In Tasmanien wollen Behörden und der Großkonzern Gunns trotz heftiger Proteste die weltgrößte Papiermühle bauen. Die giftigen Abwässer und Gase würden das Naturparadies zerstören.

Papier auf Abruf: Angefressener Wald in Tasmanien. Bild: dpa

Launceton taz | Der Investmentbanker Peter Whish-Wilson ist keine Heulsuse. Doch jetzt treibt bittere Enttäuschung ihm Tränen in die Augen. "Es ist das Menschliche, das mir zu schaffen macht", sagt er. "Die Sache zerreißt unsere Bevölkerung."

Der 40-jährige Australier sitzt am Holztisch in seinem Weingut, hoch über dem Tamar-Fluss, rund eine Stunde nördlich von Launceston auf der australischen Insel Tasmanien. Die Nachmittagssonne taucht das Tal in ein glänzendes Licht. Die Luft in Tasmanien ist so rein, dass zehntausende von Touristen jedes Jahr auf die "grüne und saubere" Insel kommen, wie sich Tasmanien in der Werbung präsentiert.

Whish-Wilson, der in Hongkong, Sydney und Melbourne jahrelang für die Deutsche Bank Millionendeals gezeichnet hat, ist ein sachlich denkender Mann. "Wir leben hier im Paradies", sagt er. "Tourismus und Weinanbau schaffen Arbeitsplätze. Sie nutzen und erhalten gleichzeitig, was uns wichtig ist: die Natur." Schon alleine deshalb macht für ihn das Projekt keinerlei Sinn.

"Das Projekt" sind Pläne für den Bau der größten Papiermühle der Welt. Die börsennotierte tasmanische Holzproduktefirma Gunns Ltd. will am Ufer des Tamar-Flusses für umgerechnet 1,3 Milliarden Euro eine Anlage bauen, die Papierbrei für den asiatischen Markt herstellen soll. Damit würden die "Forstreserven Tasmaniens wertvermehrend genutzt" und 2.500 Arbeitsplätze geschaffen.

"Das sind 2.500 Familien, die durch die Rezession getragen werden", sagt Gunns-Chef John Gay. Er führt die in Launceston beheimatete Firma mit rund 1.200 Angestellten quasi im Alleingang. Gay ist selbst für die Tasmanier ein Enigma; er ist selten in der Öffentlichkeit zu sehen und stellt sich ungern den Medien.

Geht es nach Gunns, rollen noch in diesem Jahr die Bagger: die tasmanischen Behörden haben die Bewilligungen erteilt, die der Bundesregierung stehen auch, wenn auch mit Auflagen.

Geht es nach den Gegnern, wird die Mühle nie gebaut. "Wir schrecken nicht vor aktivem Widerstand zurück, sollte der Bau beginnen", sagt Bob McMahon, Vorsitzender der Aktivistengruppe "Tasmanier gegen die Papiermühle". Für McMahon steht fest: "Das Tamar-Tal ist der schlechteste Ort für die Mühle, den man sich vorstellen kann." Experten bestätigen: die Auswirkungen der Anlage auf die Umwelt, die wirtschaftliche und soziale Struktur im Tamar-Tal und in Tasmanien generell wären weitgehend negativ.

Neben dem unberührten Buschgebiet, auf dem die Anlage gebaut werden soll, steht bereits eine Gunns-Holzschnitzelfabrik. Einen Steinwurf entfernt, auf der anderen Seite des Tamar-Flusses, liegen Weinberge - dutzende. Sie produzieren einige der besten Weine Australiens. Zwischen den Reben weiden Kühe, liegen Biobauernhöfe, Boutique-Pensionen, kleine Hotels. Deren Zukunft und die hunderter Beschäftigter ist gefährdet. Untersuchungen zufolge wird die Mühle trotz Filteranlagen übel riechende Gase ausstoßen - mit verheerenden Konsequenzen für die Weine und die Lebensqualität der Anwohner.

"Ich habe solche Anlagen in Südamerika besucht - es stank zum Himmel", klagt Whish-Wilson. Kritiker fürchten, die Verwendung von Chemikalien werde zur Zerstörung des biologischen Gleichgewichts in der nahen Bass-Meeresstrasse führen. In dieses von Industriemüll bisher kaum belastete Gebiet zwischen Tasmanien und dem australischen Festland würde die Anlage 64.000 Tonnen mit langlebigen organischen Schadstoffen verschmutzte Abwässer leiten - pro Tag.

Die sogenannten Persistant Organic Pollutants werden in der Umwelt nur langsam oder gar nicht abgebaut. Ein von Gunns in Auftrag gegebener und erst auf Druck von Umweltgruppen veröffentlichter Bericht des staatlichen Forschungsinstituts Csiro bestätigt: "Die Anlage würde Wasserschutzrichtlinien fast täglich verletzen."

Der Kampf gegen die Papiermühle ist ein Kampf um eine neue Richtung für Tasmanien, eine Schlacht für eine nachhaltige Zukunft. "Ich bin überzeugt, den Männern der alten Garde geht es nur darum, der Umweltbewegung ein letztes Mal zu zeigen, wer der Chef ist", sagt Whish-Wilson.

Die "alte Garde", das sind Männer, für die Natur traditionell eines ist: eine Ressource für Rohstoffe, die ausgebeutet werden muss. Männer wie Gunns-Chef John Gay und Robin Gray, ehemaliger Regierungschef von Tasmanien und heute Aufsichtsrat der Holzfirma. Gray hat im Konflikt zwischen Naturschutz und Industrie eine Schlüsselrolle. Gegen seinen Widerstand erreichten Umweltschützer 1983, dass die australische Regierung das unberührte Tal des Franklin-Flusses unter Schutz stellte.

Für Gray war das Gewässer ein "stinkendes Rinnsal". Er wollte es fluten und einen Staudamm bauen. Heute ist das Tal Unesco-Weltnaturerbe und zieht jedes Jahr tausende von Touristen an. Dieser Kampf zwischen David und Goliath gilt als Geburtsstunde der Umweltbewegung und der Grünen Partei Australiens. Whish-Wilson ist überzeugt: "Die Papiermühle ist ein Akt der Rache dafür."

Während damals der Protest in erster Linie von wild gekleideten Demonstranten aus der alternativen Szene ausging, haben sich im Widerstand gegen die Papiermühle farbige Allianzen gebildet. Die Alternativen auf der Straße gehören zwar weiterhin zum Bild. Doch da ist auch Whish-Wilson, wohlhabender Spross einer konservativen tasmanischen Familie, der Privatanlageberatung macht und nebenbei Wein anbaut.

Da ist Bob McMahon, bärtiger Bergführer mit einer tiefen Liebe zu seiner tasmanischen Heimat, "wo ich meine Wurzeln habe". Und da ist der junge Paul Oosting, Projektleiter bei der Umweltorganisation The Wilderness Society, einst eine fundamentalistisch-grüne Aktivistengruppe, heute ein politisch unabhängiger, einflussreicher Verband mit Partnerorganisationen rund um die Welt.

Oosting führt die PR-Schlacht. Im Mai warnte er in großen Anzeigen in der Financial Times europäische Banken davor, das Projekt zu finanzieren. Gunns sucht rund um den Globus Kredite und nach einem Joint-Venture-Partner. Gunns-Chef Gay gibt sich zwar zuversichtlich, "in Kürze" sein Ziel erreicht zu haben. Die Kreditkrise hat die Suche nach Kapital aber deutlich erschwert.

Der Druck der Opponenten auf potenzielle Finanziere hat schon spektakuläre Resultate geliefert: die australische ANZ, 20 Jahre lang die Hausbank von Gunns, zog letztes Jahr ihre Unterstützung zurück. Sie fürchtete offenbar um Ruf und Ansehen. Auch in Europa lässt man jetzt die Finger davon: "Nein, wir sind nicht beteiligt", bestätigen Deutsche Bank und UBS. Die Banken waren von den Gegnern auf einer Liste als mögliche Projektsponsoren genannt worden. Auf Stellungnahmen anderer potenzieller Geldgeber warten die Aktivisten noch.

"Dieses Projekt ist so zwielichtig, dass es nur zwielichtiges Geld anlocken wird", warnt Bob McMahon mögliche Interessenten. "Denn es hat keine soziale Legitimität." Eine Mehrheit der Australier sei dagegen, zeigten Umfragen. Für McMahon hat der Widerstand gegen die Mühle längst eine größere Dimension angenommen: "Wir kämpfen für die Wiederherstellung der Demokratie."

Dass Gunns trotz großer Opposition schon bald mit dem Bau der Anlage beginnen könnte, stellt nicht nur die Qualität der Politik im Bundesstaat Tasmanien in Frage, sondern das Umweltbewusstsein in Australien. Das Land hat eine ambivalente Beziehung zur Natur. Man liebt sie zwar und präsentiert sich nach außen als grün und sauber. In Teilen der Bevölkerung herrscht aber nach wie vor die Haltung der frühen Pioniere vor, wonach die Umwelt gebändigt und unterjocht werden müsse.

Die Methode, mit der das Holz "geerntet" wird, ist der zentrale Grund, weshalb Umweltschützer und die Holzindustrie seit Jahrzehnten auf Kriegsfuß stehen. Großflächigen Rodungen und dem Abbrennen auch von jungfräulichen Urwäldern folgt die Pflanzung von Eukalyptus-Monokultur-Plantagen. Die Industrie weist darauf hin, dass die Methode die weltweit anerkannte, "umweltfreundlichste Praxis" sei und tausende von Quadratkilometern der einzigartigen Wildnis Tasmaniens unter Naturschutz stünden.

Doch aus der Luft gleicht die Insel einem Flickwerk natürlicher Wälder und einem rasch wachsenden Anteil von Plantagen. Zuchtbäume sollen dereinst die "Ernte" von Urwäldern vollständig ersetzen. Noch aber enden jedes Jahr tausende von Urwaldriesen als Packtüten in japanischen Supermärkten. Kein Gesetz halte die Firma davon ab, auch in der Papiermühle Urwaldholz zu verarbeiten, sagt Whish-Wilson.

Whish-Wilson schenkt sich ein Glas seines jüngsten Pinot Noir ein. Über 30 Dollar kostet die Flasche. "Ich bin Geschäftsmann", sagt er. Wie die meisten anderen Opponenten des Projektes habe er nichts gegen eine Papiermühle in Tasmanien, solange sie am richtigen Ort stehe, mit nachhaltigen Methoden betrieben werde und wirklich Arbeitsplätze schaffe.

Jobs sind auch das Argument für den neuen Premier von Tasmanien, David Bartlett, der zu Whish-Wilsons Enttäuschung hinter dem Projekt steht - trotz Zweifeln, die er vor seiner Wahl vor einem Jahr geäußert hatte. Doch Studien zeigten, dass 280 neuen Arbeitsplätzen - nicht etwa 2.500, wie Gunns meint - in der Mühle 1.220 andere gegenüberstehen, die in Tourismus und Landwirtschaft verloren gehen würden.

Whish-Wilson fehlt es in diesen Monaten nicht an Enttäuschungen. Er hatte Hoffnung, als sein Jugendfreund und Surfkumpel Peter Garrett australischer Umweltminister wurde. Denn der einstige Sänger der Rockgruppe Midnight Oil hatte sich schließlich als Umweltaktivist immer vehement für den Schutz Tasmaniens eingesetzt.

Zum Schrecken seiner Anhänger hat Garrett aber Gunns grünes Licht für das Projekt gegeben. Zwar muss die Firma noch eine Studie zu den Umweltbelastungen im Wasser vorlegen - der Bau der Papiermühle darf aber trotzdem beginnen. "Auch wenn die Untersuchung negativ ausfallen wird", sagt Whish-Wilson, "es muss ein mutiger Politiker sein, der dann sagt, die Anlage darf ihren Betrieb nicht aufnehmen."

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2 Kommentare

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  • T
    tasmanian

    nun hat der "Tasmanian Devil" endlich doch ein Gesicht: Gunns-Chef John Gay...

  • KA
    Kritik A.

    Sorry, aber mit dem Thema nicht vertraute Leser verstehen nur Bahnhof. Ihr solltet das "organische Farmen" mit dem im deutschen korrekten Begriff "Biobauernhöfe" ersetzen, denn ein paar Absätze später redet Ihr von "POPS" -"langlebigen organischen Schadstoffen". Wie soll der unwissende Leser den Unterschied zwischen "organischen Farmen" und "organischen Schadstoffen" erkennen, wenn ihr es nicht schafft, eine einheitliche und verständliche Nomenklatur/Terminologie einzuhalten?

     

    Ihr könnt Eurer Leserschaft nur schwerlich abverlangen, derlei Sachverhalte selbst zu recherchieren, denn damit würdet ihr euren Job in Frage stellen.

     

    Wieder einmal fragt man sich, wer die Artikel eigentlich durchliest. Aber vermutlich veröffentlicht ihr diesen Kommentar mal wieder nicht, sondern tauscht die Begriffe klammheimlich aus....