: Panzer beenden rumänischen Frühling
■ Straßenschlachten in der Bukarester City / Innenstadt von Armee und Bergleuten kontrolliert / Seit Räumung des Universitätsplatzes mindestens sieben Tote / Gebäude der Oppositionsparteien verwüstet / Iliescu auf hartem Kurs - kein Dialog mit Demonstranten
Bukarest (afp/taz) - Mit der gewaltsamen Räumung des Bukarester Universitätsplatzes am frühen Mittwoch morgen haben in der rumänischen Hauptstadt schwere Unruhen eingesetzt, in deren Verlauf bis Donnerstag mittag mindestens sieben Menschen getötet und 93 weitere verletzt wurden.
Um gegen die regierungsfeindlichen Demonstranten vom Universitätsplatz und ihre Anhänger vorzugehen, ließ Präsident Ion Iliescu aus den wichtigsten Kohlegebieten des Landes Tausende Bergarbeiter in Sonderzügen nach Bukarest bringen. Mit Knüppeln und Eisenstangen bewaffnet, wurden sie mit der Unterstützung der Sicherheitskräfte beauftragt, denen Iliescu „Schwäche“ vorwarf.
In der Bukarester Innenstadt machten die Bergarbeiter, die in Rumänien traditionell privilegiert und daher der Staatsführung verbunden sind, Jagd auf „Unruhestifter“. Es kam zu Prügeleien und Plünderungen, Journalisten und Fotografen wurden mit Gewalt daran gehindert, die Szenen festzuhalten. Die Sitze der beiden größten Oppositionsparteien wurden verwüstet. Bei den schweren Zusammenstößen kamen bis zum Donnerstag mindestens sieben Menschen ums Leben. Das rumänische Gesundheitsministerium bezifferte die Toten auf vier und die Verletzten auf 93. Auf dem Universitätsplatz wurden nach Angaben französischer Ärzte nach der Veröffentlichung dieser Bilanz drei weitere Menschen erschossen.
Zu den Ausschreitungen kam es, nachdem die rumänische Polizei am frühen Mittwoch morgen den Bukarester Universitätsplatz gewaltsam geräumt hatte, den antikommunistische Demonstranten seit dem 22.April ununterbrochen besetzt gehalten hatten.
Die Regierung rechtfertigte diese Aktion, in deren Verlauf am Mittwoch nach offiziellen Angaben 263 Personen festgenommen wurden mit einer Aufforderung der Generalstaatsanwaltschaft, wieder Recht und Ordnung im Zentrum von Bukarest herzustellen.
In der gesamten Innenstadt waren am Donnerstag Panzer postiert; Soldaten rückten zum Regierungssitz, dem Innenministerium, dem besetzten Fernsehsender und der Rundfunkstation vor. Der Universitätsplatz, den Regimegegner am Mittwoch nachmittag für einige Stunden wieder in ihre Gewalt bringen konnten, wurde am Donnerstag morgen erneut von Soldaten und Polizisten abgeriegelt. Mehrere Panzer und Transportfahrzeuge mit Soldaten waren vor der örtlichen Polizeistation aufgestellt, die am Vortag von Demonstranten in Brand gesteckt worden war.
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