■ Pampuchs Tagebuch: Das Abendmahl von Schwabing
Mein Freund E. hat zu seinem 50. Geburtstag seinen Job als Gymnasiallehrer an den Nagel gehängt und ist Computerfritze geworden. Er macht jetzt PR für eine internationale Softwarefirma, die so ziemlich alle Softwareprobleme löst, die auf die Menschheit in den nächsten zehn Jahren zukommen. Das ist derzeit, zugegeben, aufregender als Schnöseln und Schnöselinnen in die Problemwelt Adalbert Stifters einzuführen, und E. läuft seitdem auch viel dynamischer durch die Welt. Als ich ihn neulich traf, erzählte er mir mit leuchtenden Augen, daß er aber auch weiterhin für die Jugend tätig sei. Seine Webseiten, die er ununterbrochen produziert, läßt er sich nämlich gegen gutes Geld von einigen dieser genialischen Schnösel zusammenbauen. Und die Jungs sind derart fix und kompetent, daß sie nach dem Abitur (das sie hoffentlich auch ohne E. schaffen werden) bestimmt gleich hochdotierte Posten in der Softwarebranche kriegen. Außerdem sagte E., ich solle mir mal endlich Word97 laden, da könne man die Dateien als HTML speichern und somit gleich ins Netz stellen. Seit einer Weile denken wir im Kreis einer ehemaligen Schwabinger Friedens- und Stadtteilzeitung nämlich darüber nach, eine eigene Webseite zu starten.
Mein Freund K. ist katholischer Theologe und der bibelfesteste Mensch, den ich kenne. Er kann stundenlang über Paulus oder Augustinus reden, kennt die Geheimnisse des Turiner Leichentuchs bis zum letzten Schweißfleck und kann genau erklären, warum die Evangelien Jesus in Bethlehem zur Welt kommen lassen, auch wenn es gar nicht stimmt. Auch K. surft wie ein Besessener. Als ich ihn neulich traf, erzählte er mir mit leuchtenden Augen, daß er sich jetzt die „Confessiones“ des Augustinus in Latein runtergeladen habe. Auf Knopfdruck bekomme er sogar noch die griechische Übersetzung (wenn auch, wie er bedauernd hinzufügte, in lateinischer Schrift). Da werde dann doch sehr viel genauer klar, wie der das mit der „Agape“ gemeint habe. Und außerdem könne er jetzt jede Stelle der Confessiones mit Suchwort finden.
Mein Freund W. ist beim Fernsehen. Da hat er den lieben langen Tag Zugriff aufs Internet, was er sehr gut nutzen kann; über sämtliche Filme und Fernsehsendungen der letzten 1.000 Jahre hat er immer sofort die Daten parat. Neulich fand er die Zeit, mir eine E-Mail zu schicken. Es dauerte etwa zehn Minuten, bis ich mir die Anhangdatei mit dem geheimnisvollen Titel „ugachaka“ heruntergeladen hatte. Als ich sie dann aufmachte, erschien ein Baby auf dem Schirm, und ein Chor sang wiederholt „ugachaka, ugachaka, uga, uga, ugachaka“. Das Baby tanzte dazu, und ein mir unbekannter Mann sang die Zeile „I can't stop this feeling, deep inside of me, girl, you just don't realize, what you do to me“. Der Clip dauerte genau 24 Sekunden, ich habe ihn mir aber schon fünfmal angesehen.
Meine Freundinnnen A. und A. sind beide Computerexpertinnen. Ohne ihre Hilfe hätte ich den Einstieg in das Internet nie bewältigt. Ohne sie kein schwabing-extra.de, kein ugachaka, keine Agape. Das heißt auf griechisch „Liebe“, kann aber auch einfach gemeinsames Essen bedeuten. Demnächst wollen wir alle zusammen bei einem Abendmal mit viel Ugachaka schwabing-extra.de in die Welt setzen. E.s Jungs sollen die Webseite bauen. „So werden wir finden, so wird uns aufgetan“ (Confessiones 13,38). Thomas Pampuch
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