Palästinensische Regierung geplant: Fatah und Hamas wieder einig
In Ägypten haben Vertreter der palästinensischen Fraktionen Fatah und Hamas ihre Feindschaft beigelegt. Nun soll eine gemeinsame Regierung gebildet werden.
JERUSALEM taz | Die beiden palästinensischen Fraktionen Fatah und Hamas wollen eine Einheitsregierung gründen. Die am Mittwochabend überraschend getroffene Vereinbarung ist zunächst nur mit den Initialen der Vertreter beider Parteien unterzeichnet worden. Eine offizielle Zeremonie in Anwesenheit von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und Hamas-Politbürochef Khaled Mashal soll in den kommenden Tagen folgen. Dann wird vermutlich auch der Termin für Wahlen bekanntgegeben werden.
Die Einigung kam offenbar nach einer Reihe geheimer Verhandlungen und mit Hilfe des Vermittlers Murad Muwafi zustande, dem neuen Chef des ägyptischen Geheimdienstes. Muwafi gelang, woran sein Vorgänger Omar Suleiman scheiterte. Dabei spielten ihm mehrere Umstände in die Hände. Palästinenserpräsident Machmud Abbas (Fatah) steckte in den Friedensverhandlungen mit Israel fest und strebt nun zusammen mit dem palästinensischen Ministerpräsidenten Salam Fayyad die Anerkennung des Staates Palästina vor der UN an.
Dazu kommt, dass er für September Präsidentschafts- und Parlamentswahlen ankündigte, die die Hamas in Gaza zunächst boykottieren wollte. Wahlen ohne Gaza sind hingegen wenig sinnvoll, denn das Ziel von Neuwahlen ist in erster Linie, der künftigen Regierung ein handfestes Mandat auch bei erneuten Friedensverhandlungen zu verschaffen.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu argumentierte wiederholt und nicht komplett zu Unrecht damit, dass ein Friedensabkommen solange nicht relevant sei, solange die palästinenensischen Delegierten nur "Halb-Palästina", also nur das Westjordanland vertreten. Allerdings wehrt sich der israelische Regierungschef nun nicht minder vehement gegen Verhandlungen mit einer palästinensischen Einheitsregierung, an der die Hamas beteiligt ist. "Ihr könnt nicht gleichzeitig Frieden mit Israel und der Hamas haben", stellte er fest.
Wie künftige Friedensverhandlungen aussehen könnten, ist auch für die Palästinenser eine schwierige Frage. Die Hamas lehnt direkte Verhandlungen mit Israel ab und überlässt der Fatah freie Hand beim Dialog mit dem "zionistischen Feind". Nicht zum ersten Mal einigten sich die beiden Fraktionen auf ein Zusammengehen. Die im März 2007 gegründete Regierung der Nationalen Einheit hielt indes nur wenige Wochen.
Übergangsregierung der Experten?
Bei dem seither andauernden Konflikt geht es nicht nur um ideologische Gegensätze. Zwischen den beiden Parteien bestehen noch etliche offene Rechnungen aus den Zeiten blutiger Auseinandersetzungen. Beide Fraktionen waren nicht zimperlich, als es darum ging, Anhänger der gegnerischen Partei zu verfolgen, zu foltern und auch zu töten.
Das Kernproblem beim innerpalästinensischen Konflikt ist jedoch die Machtverteilung. Die Hamas hatte die Wahlen 2006 gewonnen, trotzdem behielt die Fatah de facto die wichtigen Posten für sich, vor allem bei den Sicherheitsdiensten. Um eine Einheitsregierung gelingen zu lassen, muss es eine Vereinheitlichung der offiziellen Sicherheitsdienste und der Armee der Hamas geben.
Schon die Frage, wer die Minister der Übergangsregierung sein werden, dürfte die Delegierten beider Seiten ins Schwitzen bringen. Ein Kabinett von überparteilichen Experten wäre denkbar. Al Jazeera zitierte noch gestern Nacht den Hamas-Sprecher Ghazi Hamad in Gaza, der mit Wahlen "nicht vor einem Jahr" rechnete. Die Chancen, dass die Einheitsregierung bis zum Frühjahr 2012 halten, stehen alles andere als gut.
Dennoch wäre es das, was sich die Mehrheit des Volkes laut Umfragen wünscht. Die Bewegung "15. März" fordert mit einem Proteszelt im Zentrum Ramallahs seit gut einem Monat die innerpalästinensische Versöhnung. Mehrere Inhaftierte unterstützen ihren Kampf neuerdings mit einem Hungerstreik. Dabei hat die vereinbarte Einheitsregierung auch Gegner. Junge Fatah-Anhänger in Ramallah stürmten jüngst das Zelt des "15. März" und in Gaza drohten radikale Islamisten mit Angriffen gegen den Palästinenserpräsidenten, sollte Abbas die Einladung von Ismail Haniyeh, Hamas-Ministerpräsident in Gaza, annehmen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis