Paläontologen entdecken Urzeit-Lebewesen: Ein Schwamm aus der Eiszeit

In 650 Millionen Jahre alten Sedimentschichten entdeckten Forscher die bisher ältesten bekannten Tierfossilien. Die Schwämme haben auch globale Eiszeiten überlebt.

In solchen Steinen werden die Fossilien als rote Strukturen sichtbar. Bild: Adam Maloof

Im Süden Australiens haben Forscher Fossilien gefunden, die vermutlich die Überreste der ältesten bisher gefundenen mehrzelligen Tiere sind. Die ähnlich einem Schwamm aufgebauten, nur wenige Zentimeter großen Organismen lebten vor rund 650 Millionen Jahre, berichtet das Forscherteam um Professor Adam Maloof von der Princeton University in New Jersey in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Nature Geoscience. Bisher gingen Wissenschaftler davon aus, dass mehrzellige Tiere erst viel später entstanden. Die bisher nachgewiesenen ältesten Tierfossilien sind rund 550 Millionen Jahre alt.

Schwämme gelten bisher schon als eine der ältesten mehrzelligen Organismen auf der Erde. Sie bestehen zwar aus einem Verband unterschiedlich spezialisierter Zellen, besitzen aber noch keine Knochen und keine Organe.

Die heute bekannten rund 7.500 Schwammarten bilden zusammen den Tierstamm der Gewebelosen. Die verschiedenen Arten, die zwischen wenigen Millimetern und bis zu drei Metern groß werden können, leben allesamt im Wasser. Sie sind in allen Meeren zu finden. Einige leben auch im Süßwasser. Von den ganz frühen Arten sind als Fossilien nur die Kalkskelette übrig geblieben.

Die Geowissenschaftler um Adam Maloof entdeckten ihre Versteinerungen als sie nahe der Stadt Adelaide Ablagerungen untersuchten, die sich unter einer 635 Millionen Jahre alten Sedimentschicht befanden. Maloof und seine Studentin Catherine Rose wollten in Australien mehr über das Ende des sogenannten Cryogeniums erfahren.

Diese geologische Periode begann etwa vor 850 Millionen Jahren und endete vor 635 Millionen Jahren. Das Cryogenium zeichnet sich dadurch aus, dass während dieser Zeit die Erde mehrmals fast vollständig mit Eis bedeckt war. Strittig ist noch, in welchem Ausmaß die Erde während dieser "Snowball"-Ära vereiste. Für Maloof und seine Kolleginnen kam der Fund überraschend. "Niemand erwartete, dass wir Tiere finden würden, die vor dieser Eiszeit lebten", sagte der Geowissenschaftler.

"Und da Tiere wahrscheinlich nicht zweimal durch die Evolution entstanden sind, sind wir jetzt mit der Frage konfrontiert, wie einige Verwandte dieser Riffbewohner die Eiszeit überstehen konnten", sagte Maloof. Denn sollten die Funde und vor allem das Alter der Fossilien bestätigt werden, muss davon ausgegangen werden, dass die Ursprünge der heutigen Tierarten nicht erst nach dem Ende des Cryogeniums zu suchen sind.

Um nachschauen zu können, was sich in den "Steinen" aus Australien tatsächlich befand, mussten die Geowissenschaftler Neuland betreten. Da die Steine nicht mit Röntgenstrahlen durchleuchtet werden konnten, entwickelten sie zusammen mit einer Firma in Brooklyn, "Situ Studio", eine ganz neue Untersuchungsmethode. Von jedem Fossil wurden 50 Mikrometer dünne Schichten abgesägt. Die so entstandenen rund 500 Scheiben je Fossil wurden poliert und fotografiert. Am Computer wurden diese Bilder zu einer dreidimensionalen Struktur zusammengebaut, aus der der Aufbau des Schwammes ersichtlich wurde.

Für Evolutionsforscher sind die Schwämme noch aus einem andern Grund interessant geworden. Anfang August veröffentlichten Genforscher, darunter auch Molekularbiologen von der Universität Göttingen, im Wissenschaftsmagazin Nature das vollständig sequenzierte Genom eines Schwamms. Entgegen ihrer Erwartung war das Genom dieser relativ einfach aufgebauten Tiere hoch komplex.

Etwa 18.000 Gene konnten die Forscher identifizieren. Im Vergleich dazu: Der Mensch hat etwa 25.000 Gene. Für Erstaunen sorgte auch, dass eine große Anzahl der Gene bei den Schwämmen ähnlich denen von höheren Tieren aufgebaut war. Die Meeresschwämme teilen etwa 70 Prozent ihres Erbmaterials mit dem Menschen, stellten Bernard Degnan von der australischen Universität Queensland und seine Mitarbeiter in ihrer Studie fest. Die Forscher erhoffen sich durch diese Ergebnisse auch neuere Erkenntnisse über die Evolution des Menschen.

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