Pakistan: Kampf um Moschee dauert an
Die Erstürmung der Roten Moschee in Islamabad ist nach Armeeangaben in der Endphase. Die Zahl der Toten ist offenbar weitaus höher als bisher angenommen.
ISLAMABAD dpa/afp Einen Tag nach dem Beginn der Erstürmung der Roten Moschee in Islamabad, die eine Woche lang von militanten Islamisten besetzt worden war, sind noch immer Explosionen aus dem Gotteshaus zu hören. Am Mittwoch Morgen sei die Erstürmung durch die pakistanischen Sicherheitskräfte jedoch in ihre "Schlussphase" getreten. Militärsprecher Waheed Arshad sagte, die Armee wolle den Gebäudekomplex räumen und dafür sorgen, dass "Frauen und Kinder in Sicherheit gebracht werden"
Zuvor hatte die Armee eingeräumt, dass die fundamentalistischen Kämpfer in der Moschee mehr als 24 Stunden nach dem Beginn der Erstürmung noch etwa ein Viertel des Komplexes kontrollierten. Nach der vollständigen Erstürmung müsse noch sichergestellt werden, dass in dem Komplex keine Sprengsätze mehr verborgen seien, sagte Arshad. Er stellte in Aussicht, dass die Moschee im Laufe des Tages für Journalisten zugänglich gemacht werden solle.
Beim dem andauernden Sturm "Operation Stille" auf die Moschee sind wahrscheinlich sehr viel mehr Menschen ums Leben gekommen als bisher bekannt. Behördenvertreter vor Ort hätten dreihundert Leichensäcke angefordert, berichtete der Nachrichtensender Dawn am Dienstagabend.
Die Armee hatte die Zahl der Toten am Dienstag Vormittag mit 58 beziffert. Am Abend bestätigte das Innenministerium, auch der Anführer der in der Moschee verschanzten Radikalen, der Hassprediger Abdul Rashid Ghazi, sei ums Leben gekommen.
Heftige Kämpfe zwischen der pakistanischen Armee und radikalen Islamisten hatten die in einem ruhigen Viertel von Islamabad gelegene Rote Moschee am Dienstag in ein Schlachtfeld verwandelt. "Überall sind Leichen", berichtet ein Augenzeuge telefonisch aus dem Innern des Gebäudes. Am Morgen hatten die Sicherheitskräfte damit begonnen, die seit Dienstag vergangener Woche von militanten Islamisten besetzte Moschee zu stürmen.
Seit Dienstag Vormittag war dichter Rauch über dem Moscheegelände zu sehen, starke Explosionen erschüttern auch das nahe gelegene Botschaftsviertel. Nach Augenzeugenberichten stand die Koranschule für Mädchen auf dem Moscheegelände in Flammen. Der Augenzeuge, der vom Telefon des Klerikers Rashid aus sprach, berichtete von einem "wahllosen Töten".
Rund 50 islamistische Kämpfer nutzen nach Angaben des Armeesprechers Waheed Arshad eine kurze Feuerpause am Dienstag Vormittag, um aus dem umkämpften Gebetshaus zu fliehen. Dreiviertel des Geländes habe die pakistanische Armee seit Beginn des Sturms auf die Moschee bereits von den Islamisten befreit, sagt der Sprecher. Dabei seien die Soldaten auch von den Minaretten aus beschossen worden.
Angesicht des drohenden Blutbads in der Roten Moschee hatte die Regierung tagelang versucht, eine Verhandlungslösung mit den Besetzern zu erreichen. Noch kurz vor der Erstürmung der Moschee hatte eine Delegation aus Islam-Gelehrten und islamistischen Abgeordneten erneut mit Ghazi ergebnislos verhandelt.
Etwa hundert kampfbereite Männer verschanzen sich nach Armeeangaben bis zum Dienstag Abend weiter in der Moschee. Mit Maschinengewehren, Granaten und Raketenwerfern leisten sie "heftigen Widerstand" und halten 300 bis 400 Koranschüler, darunter auch Frauen und Kinder, als menschliche Schutzschilde fest.
Die Anführer der Moscheebesetzer bestritten hingegen, Geiseln genommen zu haben. Mit Lautsprecherdurchsagen forderte die pakistanische Armee die Islamisten zur Aufgabe auf: Wer nicht mit erhobenen Händen das Gebäude verlasse, werde erschossen. Etwa 60 Frauen und Kinder können nach Armeeangaben bis Dienstag Nachmittag von den pakistanischen Sicherheitskräften gerettet werden. Darunter seien auch die Frau und die Tochter von Ghazi. Einige Frauen rufen nach Augenzeugenberichten beim Verlassen der Moschee "Dschihad, Dschihad!"
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