Pakistan: "Terror geht in den Provinzen weiter"
Der Sturm der Roten Moschee hat dem pakistanischen Autokraten Muscharraf nicht viel genutzt. Das Sagen wird wie stets die Armee haben, sagt Christian Wagner
taz: Herr Wagner, warum hat Pakistans Präsident Muscharraf nach monatelangem Zögern den Konflikt in der Roten Moschee so blutig beendet?
CHRISTIAN WAGNER, 48, ist Mitarbeiter der Forschungsgruppe Asien der Stiftung Wissenschaft und Politik. Die Schwerpunkte des Südasienexperten sind die Außen- und Sicherheitspolitik sowie Demokratie und ethnische Konflikte in der Region. Zuletzt erschien von ihm der Aufsatz "Demokratische Herausforderungen in Südasien" im Sammelband "Staat und Demokratie in Asien -Zur politischen Transformation einer Weltregion".
Christian Wagner: Er war aus mehreren Gründen dazu gezwungen. Zum einen haben die Bewohner Islamabads gemerkt, wie es ist, den Terror vor die eigene Haustür getragen zu bekommen, der sich bislang vor allem auf die Grenzregion zu Afghanistan beschränkte. Außerdem stellte sich im Verlauf der Moscheebesetzung heraus, dass sich dort - nur einen Steinwurf vom Präsidentenpalast entfernt - auch Angehörige verbotener islamistischer Organisationen wie Laschkar-i-Taiba und Dschaisch-i-Mohammed verschanzt hatten.
Trotzdem: Warum hat Muscharraf so spät eingegriffen?
Offensichtlich hatten die Islamisten Sympathisanten in der Regierung. Kürzlich meldeten pakistanische Medien, dass ein Waffentransport in die Moschee angehalten worden sei, der später nach Anweisung "von oben" doch genehmigt wurde. Eine wichtige Rolle soll der Religionsminister spielen, ein Sohn des früheren Militärdiktators Zia ul-Haq. Außerdem gab es die Entführung chinesischer StaatsbürgerInnen Ende Juni, wohl der entscheidende Fehler der Islamisten. Einen Tag später waren die Entführten auf Druck des chinesischen Botschafters wieder frei. Danach war der pakistanische Innenminister in Peking - wo man ihm offenbar die Leviten gelesen hat. Als er zurück nach Islamabad kam, schickte die Regierung Spezialeinheiten an die Moschee.
Sitzt der politisch schwer angeschlagene Muscharraf nun wieder fester im Sattel?
Er hat einen Pyrrhussieg errungen. Die Niederschlagung der Moscheerevolte verschafft ihm zwar kurzfristig Vorteile. Doch der Gegenwind ist enorm. Die liberaleren Kräfte werden eine Untersuchung fordern, warum er so lange gezögert hat und was in der Moschee unter wessen Beteiligung gelaufen ist.
Muscharraf muss sich in diesem Jahr Wahlen stellen - es sei denn, er ruft den Notstand aus. Wie wird das für ihn ausgehen?
Seine Zeit ist wohl abgelaufen. Wenn er als Präsident weitermachen will, kann er wahrscheinlich nicht Oberbefehlshaber der Armee bleiben - was ihn de facto entmachtet. Relativ wahrscheinlich ist die Konstellation eines Präsidenten Muscharraf mit einer Premierministerin Benazir Bhutto. Bhutto hat Muscharraf offensiv für sein Vorgehen gelobt, einem Treffen der Oppositionsparteien in London blieb sie demonstrativ fern. Es spricht also einiges für eine Annäherung von Bhutto und Muscharraf. Auch aus den USA wird offenbar Druck ausgeübt, damit die exilierte Bhutto, die der größten Partei PPP vorsteht, wieder ins Land zurückkehren kann.
Bhutto hat angekündigt, sie werde im Kampf gegen Terroristen hart vorgehen. Das wertet die Armee ja wieder auf.
Die Armee könnte mit Bhutto leben. Eine Koalition von Bhutto und Muscharraf würde zwar als das "neue, liberale Pakistan" dargestellt, faktisch aber die Fortsetzung einer Politik bedeuten, bei der das Militär weiterhin den Takt vorgibt. Wie viele Stimmen Bhutto bekommt, ist jedoch unklar, weil keiner weiß, wie viel Rückhalt sie nach jahrelangem Exil noch im Land hat. Und einen Sieg per Wahlfälschung kann sie sich nicht leisten.
In den USA wird ein als geheim eingestufter Bericht lanciert, nach dem al-Qaida so stark sein soll wie seit 2001 nicht mehr - auch weil sie in den pakistanischen Grenzregionen ihr Rückzugsgebiet haben. Ein klarer Hinweis an Muscharrafs Adresse?
In den USA schaut man natürlich genau auf das Wahljahr in Pakistan. Dort wird sehr intensiv über das Umgehen mit Muscharraf gestritten. Das eine Lager in den USA hält das Militär für das eigentliche Problem und fordert, endlich die demokratischen Kräfte zu stützen. Die Gegenseite will weiter zwei Milliarden Dollar pro Jahr ins pakistanische Militär pumpen und glaubt, damit das Land stabil zu halten.
Die Geschehnisse an der Moschee haben die Befürchtungen verstärkt, der Atomstaat Pakistan könne bald von Islamisten regiert werden. Wie stark sind die radikalen Islamisten denn in Pakistan?
Verlässliche Zahlen über radikale Islamisten in Pakistan gibt es nicht. Aber ich sehe derzeit keine Gefahr, dass Pakistan in ihre Hände fällt. Das islamistische Parteienbündnis MMA hat beim Karikaturenstreit 2006 Hunderttausende auf die Straße gebracht - jetzt während der Moscheebesetzung gab es kaum vergleichbare Aktionen.
Und wie wahrscheinlich sind Terrorakte, die der Al-Qaida-Vize Aiman al-Sawahiri ankündigt?
Es wird mehr Anschlägen in den Stammesgebieten und der Nordwestgrenzprovinz geben.
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