Pädophilen-Jäger als rechtsradikal entlarvt: Pädophilenjagd als Werbetrick
Eine schleswig-holsteinische Zeitung stellte einen "Pädophilen-Jäger" vor und übersah, dass der Kontakte zur rechtsradikalen Szene pflegt. Die feierte den Artikel als gelungenen Medien-Coup
Sehr lange engagiert sich Dennis Grube noch nicht bei Facebook gegen Pädophile. Seit April ist er Mitglied bei der Internetgruppe "Stoppt Kinderschänder bei Facebook", sucht Profile und meldet sie. Bereits im Juni würdigte dann die Schleswig-Holsteinische Landeszeitung sein Engagement.
Unter dem Titel "Rendsburger kämpf gegen Pädophile" stellte die Zeitung am 22. Juni Grubes Internetaktivitäten vor - und übersah dabei ein wichtiges Detail: die Nähe des "Pädophilen-Jägers" zur rechtsextremen Szene. "Ich habe da noch Kontakt", sagt Grube der taz, betont aber, weder in einer Partei noch in Kameradschaften zu sein.
In der vergangenen Woche stand der Beitrag - trotz Kritik - noch online. "Wir haben das nicht gewusst", sagt Gero Trittmaack, Redaktionsleiter bei der Landeszeitung. Dabei stößt man mit ein wenig Recherche schnell auf Bilder, die Grube ins Zwielicht rücken. Auf einem Foto posiert der 26-Jährige in einer Wohnung mit einer großen Machete, die er einem anderen an den Hals drück. Im Hintergrund sind Kameraden in szenetypischen Chic zu sehen.
Mit einem T-Shirt auf dem ein Wehrmachtssoldat vor einer verdeckten Hakenkreuz-Fahne steht, ließ er sich auch aufnehmen. Ein anderes Foto zeigt den Glatzkopf mit einem Shirt der Neonaziband "Weiße Wölfe". In ihrem Song "Kinder des Reiches" intoniert die Band: "Wir alle sind Kinder des Reiches, die Erben arischer Werte, darum bekenne dich zu einer Herkunft mit Stolz, Blut und Ehre.
" Noch deutlicher singt die Band in "Unsere Antwort": "Wartet ihr Brüder, wir kommen wieder, schlagen das rote Gesindel hernieder. (...) Für unser Fest ist uns nichts zu teuer, 10.000 Juden für das Freudenfeuer."
Die Bilder sind echt, bestätigt Grube. Der Küchenchef eines Restaurants sagt aber, das sie etwa vier Jahre alt seien. Heute sei er nicht mehr in der Szene. Dass sich sein Denken geändert und er keine Kontakte mehr zu ihr haben, will er dennoch nicht sagen. "Ich halte mich zurück", formuliert er mehrdeutig.
Bei den Treffen für den Landeszeitungs-Artikel trug Grube gewöhnliche Kleidung. Auf dem Bild trägt er ein einfaches Hemd, lächelt und hält ein Notebook hoch ("seine Waffe", wie es im Artikel heißt). "Er wirkte nett, freundlich", heißt es aus der Redaktion.
Das Engagement von Grube gegen Pädophile war dem Autor des Artikels selbst gar nicht aufgefallen. Grube hatte sich damit selbst an die Zeitung gewandt. "Es ist wohl eine Masche, in der Öffentlichkeit sich mit solchen Themen darzustellen", sagt Trittmaack.
In letzter Zeit instrumentalisierten NPD und Kameradschaften immer wieder die Ängste vor sexuellen Straftätern und gerierten sich als jene, die sich kümmerten. Sie protestierten vor Wohnungen von vermeintlichen Tätern, marschtieren auf in Städten, wo es zu pädophilen Vorfällen kam und verteilten Flugschriften - auch in Rendsburg. In machen Gemeinden hielten Anwohner die NPD-Transparente "Todesstrafe für Kinderschänder" mit fest.
Über die Facebook-Gruppe hatte sich die Redaktion bei der Polizei erkundigt. "Wir fragten dezidiert nach", sagt Trittmaack. Die Polizei hätte jedoch keine Bedenken geäußert. Im Gegenteil. In dem Artikel heißt es, dass die Polizei die Initiative der Gruppe "grundsätzlich begrüße".
Bei der Facebook-Gruppe mischen allerdings NPD-Mitglieder und Kameradschaftsanhänger offen mit. "Schon beim ersten Blick fällt doch auf, dass mindestens ein Drittel der Personen der NPD oder den Freien Nationalisten nahe stehen", sagt ein Sprecher der Antifa Rendsburg.
Die Szenecodes und Parteisymbole seien nicht zu übersehen gewesen. Erfolglos bat die Anifa-Initiative die Redaktion, den Artikel von ihrer Website zu nehmen. Auf Facebook wurde er derweil als Medien-Coup präsentiert: von Webseiten der Neonazis.
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