piwik no script img

Paarbeziehung und KIWer hat eigentlich den Dosenöffner erfunden?

In „the other gAIrl“ beginnt ein Mann eine Affäre mit einer KI. Das funktioniert auf erstaunlich lustige und gegenwartsdiagnostische Weise.

Liebe zu dritt, mit KI

Eine Liebe zu einer künstlichen Intelligenz – kann das nach „Her“ aus dem Jahr 2013 und „Ich bin dein Mensch“ von 2021 überhaupt noch originell verfilmt werden?

Ja, und eine ZDFneo-Serie zeigt, wie es funktioniert: In „The other gAIrl“ drängt sich KI als romantischer Ersatz ganz schleichend in den Alltag eines Paares hinein und lässt sich, einmal da, nicht mehr so einfachausradieren.

Tom Beck und Chryssanthi Kavazi, auch im wahren Leben verheiratet, spielen Frank und Lisa. Den gemeinsamen Sohn Valentin bringen sie abwechselnd ins Bett, sie besitzen zueinander passende Keramikschüsselchen fürs Brunchen und machen die Salsa für diesen Brunch sogar selbst. Wenn sie dann abends ins Bett fallen, beide mit Zahnschiene und in Baumwollnachtwäsche, bleibt wenig Energie für Weiteres.

Und so stolpert Frank eines einsamen Abends über eine App, mit der er sich selbst eine KI-Frau erschaffen kann, die ihm für „nur 19 Euro im Monat“ jederzeit zur Verfügung steht, per Chat oder Videocall, und die er sogar selbst benennen kann – auf Maia fälltdie Wahl, so wie seine erste Freundin und gleichzeitig in doppeldeutiger Weise auf AI verweisend.

„The other gAIrl“

in der ZDF-Mediathek

Temporär vollends von Maia ausgeschöpft

Mit samtiger Stimme bestärkt Maia ihn von nun an in all seinen Entscheidungen, füttert sein Ego mit Schmeicheleien und springt jederzeit da ein, wo seine echte Frau mit echten Alltagsproblemen beschäftigt ist. Folgenlos bleibt das nicht für die Beziehung – FranksBildschirmzeit nimmt massiv zu und seine Kapazitäten der emotionalen wie körperlichen Intimität werden zumindest temporär vollends von Maia ausgeschöpft.

Der besonders originelle Clou der Serie unter der Regie von Welf Reinhart ist dabei das hohe Gespür für gegenwartsdiagnostische Beziehungsparodie: Als Frank Lisa endlich von Maia erzählt,könnte man meinen, sie zeige ihm die kalte Schulter – in Wirklichkeit aber sind ihre AirPods anfangs weder für ihn noch für die Zuschauerschaft sichtbar und verhindern jedes Zuhören.

Auch die selbstverständliche Nutzung gängiger KI-Chatmodelle und deren Auswirkung auf zwischenmenschliche Beziehungen werden klug eingebunden: Da spricht man eigentlich gerade mit einem echten Gegenüber und hat dann den Eindruck, es gäbe keine dringlichere Angelegenheit, als die KI zu befragen, wer den Dosenöffner erfunden hat.

Außerdem wird die stets höchst diplomatische, korrekt-zugewandte Tonlage einer KI-Antwort im Sprachjargon von Maia perfekt getroffen, etwa dann, wenn sie Frank vorschlägt, sich ein Tattoo stechen zu lassen, und zwar „ein Kristallglas, weil es sowohl deine Leidenschaft für guten Whiskey als auch deine Zerbrechlichkeit symbolisiert“.

Wie aber konkurrieren mit dieser perfekten Maia? Gar nicht, das wird Lisa schnell klar. Gegen eine KI, die völlig ohne eigene Bedürfnisse mit endloser Geduld und konstanter Schlafzimmerstimme das Ego eines erschöpften Mannes streichelt, ist nicht anzukommen. Gleichzeitig ist für Frank die emotionale Zuwendung des Chatbots mindestens genauso wichtig wie die erotische Chatfunktion und verweist auf eine Lücke, die in dieser eingefahrenen Alltagsbeziehung entstanden ist: die des Zuhörens und des Gefühls, auch dann akzeptiert und geliebt zu werden,wenn man nach einem Ehejahrzehnt auf einmal eben doch ein Tattoo will.

Beck zeigt all sein komödiantisches Repertoire in dieser Rolle und glänzt selbstironisch in seiner männlichen Selbstwertkrise, Jan Henrik Stahlberg als cholerischer Chef ebenso. „The other gAIrl“kommt außerdem zu genau dem richtigen Zeitpunkt: Ab Dezember wird ChatGPT für Erwachsene auch Erotik-Funktionen anbieten. auch Erotik-Funktionen anbieten. Wie viele Beziehungen dann noch die Feiertage überstehen, bleibt abzuwarten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare