PROZESS: "Wer einen Arschlochjob macht.. "
Ein Nazi, der auf einer Demonstration eine Polizistin angefahren hat, erhält eine Geldstrafe. Einsicht ist ihm und seinen Kumpanen jedoch fremd.
Absicht oder Versehen? Versehen, meint das Amtsgericht Tiergarten am Dienstag im Prozess um die Verletzung einer Polizistin auf einer Nazi-Demo. Es verurteilt den Fahrer des Lautsprecherwagens, Uwe D., einen dicken, tätowierten Mann mit Ziegenbart, wegen fahrlässiger Körperverletzung zu 900 Euro Geldstrafe – einem Monatsverdienst des 49-Jährigen abzüglich des Unterhalts für seine Frau.
Im Mai 2011 marschierten die Nazis unter dem Motto „Wahrheit macht frei – Täter bei der Herkunft nennen“ durch Kreuzberg. Mühsam trennte die Polizei Rechte und linke Gegendemonstranten – auch mit dem umstrittenen Trick, die Nazis durch den U-Bahnhof Mehringdamm zu schleusen. Diesen Weg konnte der Lautsprecherwagen mit seinen drei Insassen nicht nehmen. „Wir standen allein und hilflos in einer Menge von 300, 400 Verrückten“, sagt der Angeklagte. Von „150 bis 200 Linken“ spricht der Polizei-Einsatzleiter.
Die Gegendemonstranten kesselten den VW T4 ein, schlugen und traten auf das Fahrzeug und planten aus Sicht der Beamten das „ein oder andere Körperverletzungsdelikt“. Meter für Meter lotsten die Polizisten den Wagen aus der Menge. Dennoch war den Nazis darin mulmig zumute – zumal sich die Tür nicht richtig schließen ließ. „Man musste um Leib und Leben fürchten“, sagt einer von ihnen als Zeuge.
Verspäteter Fluchtreflex
30 bis 45 Minuten dauerte die Situation, dann hatten die Rechten wieder freie Fahrt. Wohl aus einer Art verspätetem Fluchtreflex heraus trat Uwe D. aufs Gaspedal – die junge Beamtin, die er mit dem linken Außenspiegel streifte, will er nicht bemerkt haben. Die Frau drehte sich um ihre Achse, dann rollte der T4 über ihren rechten Fuß. Der sei angeschwollen und habe mehrere Tage geschmerzt, so das Opfer.
„Wer einen Arschlochjob macht, muss sich nicht wundern, dass er wie ein Arschloch behandelt wird“, sagt auf dem Flur einer der Nazis, er trägt „Fleischtunnel“-Ohrringe zum Ziegenbart. „Aber hübsch ist sie ja.“ Drinnen bietet das Gericht Uwe D. die Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldbuße an, doch der sieht „nicht ein, was zu bezahlen“. Und damit nicht genug: D. unterstellt der Beamtin, sie habe sich alles ausgedacht, „um die drei Tage zu entschuldigen, die sie nicht im Dienst war“. Noch während der Urteilsbegründung verlassen der mehrfach Vorbestrafte und seine Kumpanen demonstrativ den Raum.
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