: PROGRAMMFEHLER
■ „Jazz traf Wasserlinie“ ohne Rezensenten
Irgendetwas ist schief gegangen. Ich war pünktlich um acht im Haus am Waldsee, mitzuerleben, wie der Jazz auf die Wasserlinie trifft, aber die anderen hatten schon pünktlich um sechs angefangen. Ob ich mich nun verkuckt habe oder die einfach das Ereignis vorverlegt haben, ist ja eigentlich egal, sechs Uhr ist einfach keine Uhrzeit für ein Konzert. Um ganz ehrlich - noch ehrlicher - zu sein, eigentlich war ich reichlich froh über dieses Mißgeschick.
Schon als ich da ankam, strömten komische Leute aus dem wohlgemähten Vorgarten heraus, die sahen aus, als hätten sie eine Versteigerung von Ming-Vasen besucht und dabei festgestellt, daß sie ihre Scheckkarte zu Hause vergessen haben. Du verstehst?
Drinnen waren noch mehr von der Sorte, die ihre Porscheschlüssel wie Gebetskettchen rotieren lassen, gerade dabei, gegen Spendenquittungen Kunstkataloge zu kaufen, also alles in allem eine sehr anheimelnde Atmosphäre. Und dann war da noch diese Sekretärin, die man in eine Neue-Wilde -Blumenmuster-Bluse gesteckt hatte und die mich musterte, als würde sie mich auf der nächsten Auktion verkaufen müssen. Mittels eines gut einstudierten Englischlehrerinnen -Auftritts hat sie mich zusammengestaucht, und die Porschefahrer haben die buschigen Augenbrauen gelupft, 's war schon eine recht prekäre Situation, vor allem der Gedanke, daß der umfassenden Wasserlinien-Berichterstattung jetzt der Kopf abgeschlagen ist...
Immerhin gab es da einen äußerst charmanten Mitdreißiger, der mir erklärte, daß es am Sonntag noch ein Konzert gibt, ich hab‘ keine Zeit - leiderleiderleider - und dann bin ich jubilierenden Herzens wieder aus dem Haus am Waldsee verschwunden und hab‘ mich am Wannsee dem Projekt „Schultheiss trifft Wasserlinie“ gewidmet, nicht sonderlich avantgardistisch, jedoch zumindest in angenehmer Gesellschaft („Diese Tapete, die wir vor zehn Jahren im Bad hatten, die war wirklich schön. So eine schöne Tapete aber auch.“), aber das ist wieder eine ganz andere Geschichte...
rah!
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