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Archiv-Artikel

PRIVATE VORSORGE BRAUCHT MEHR ALS FINANZDIENSTLEISTER Das Ende der Erbschaftsillusionen

Vor zehn, fünfzehn Jahren war sie das große Thema in Deutschland: die Erbengesellschaft. Billionen D-Mark, so hieß es, werden in den nächsten Jahrzehnten an die kommende Generation weitergegeben, die dadurch in Wohlstand, vielleicht sogar in Nichtstun ihr Leben werde verbringen können, wenn sie denn die richtigen Finanzberater habe. Der Mittelschicht gehe es gut, so lautete die Botschaft, und daran werde sich auch für die kommenden Generationen wenig ändern. Das waren die Reden von damals. Heute sieht es anders aus.

Jeder zweite Deutsche über 50 Jahren rechnet nicht mehr damit, seinen Nachkommen ein materielles Erbe hinterlassen zu können, ergab jetzt eine Erhebung im Auftrag des Finanzdienstleisters BHW. Und nur jeder sechste der Befragten im Alter zwischen 50 und 59 Jahren geht davon aus, ein Haus oder andere größere Werte vermacht zu bekommen. Während Sozialforscher noch vor kurzem vor „Erbschaftsillusionen“ warnten, weil viele BürgerInnen zu hohe Erwartungen an die Nachlässe der Eltern hätten, verfallen die Menschen heute offenbar in Pessimismus: Auf das Erbe kann man sich nicht verlassen. Außerdem ist die soziale Verteilung von Erbschaften auch noch höchst ungleich angelegt. Nach Hochrechnungen von 2002 aus dem Umkreis der Deutschen Bank kam nur knapp jeder vierte erbende Haushalt auf ein Vermächtnis von mehr als 166.000 Euro, Immobilienwerte eingerechnet.

Nun ist es kein Zufall, dass Studien zum Erben gern von Finanzdienstleistern gefördert werden. Die Botschaft „Leute, sorgt mehr vor, ihr erbt ja doch nicht so viel!“ liegt im Interesse von Banken und Versicherungen. Ob das Ende der Erbschaftsillusionen aber nun heißt, dass die BürgerInnen tatsächlich mehr Geld sparen, ist eine andere Sache. Vielmehr könnte die Ernüchterung auch bedeuten, dass sich die Leute mehr der Frage zuwenden: Wie sieht ein sinnvolles Leben im Alter aus, auch wenn man sich keine Luxuskreuzfahrten leisten kann? Auch diese Lebensgestaltung braucht private Vorsorge – wenn auch nicht materieller Art.

BARBARA DRIBBUSCH