PRESS-SCHLAG: Der Verdacht des Uli Stein
■ Torwart Uli Stein vermutet wirtschaftliche Interessen hinter der Nominierung des Nationalteams
Weil er sich so wunderbar einsetzt. So schön kämpft. Und Druck über die linke Seite machen kann. Das, so beteuert Bundestrainer Berti Vogts, war ausschlaggebend, daß er überraschend Thomas Doll vom HSV mit in die Nationalmannschaft gegen die UdSSR genommen habe. Und warum sollte man dem Teamchef nicht glauben. Obgleich Doll selbst von seiner Nominierung völlig überrascht wurde. Um so mehr, da er als Rechtsfüßler auf der linken Seite, sagen wir, nicht optimal postiert ist. Aber das mit dem selbstlosen Einsatz stimmt. Und überhaupt hätten wir nicht den geringsten Zweifel an des Bundestrainers Beweggründen.
Wenn, ja wenn wir nur nicht vom beinharten Verdacht des Frankfurter Torwarts Uli Stein vergiftet wären. Der zweitfrechste Keeper nach Toni Schumacher nämlich argwöhnte gegenüber Fragesteller Arno Luik in der neuesten Ausgabe der Zeitschrift 'Sports‘ gar Ungeheuerliches: Nicht etwa, weil er Teamchef Beckenbauer als „Suppenkasper“ und die Mannschaft als „Gurkentruppe“ bezeichnet hatte, durfte er bei der 86er WM in Mexiko nicht auflaufen. Sein Verdacht: „Wirtschaftliche Interessen spielen bei der Aufstellung der Nationalmannschaft eine Rolle.“ Im Fall Rummenigge beispielsweise können es keinesfalls sportliche Gründe gewesen sein. „Da sind hochkarätige Werbeverträge abgeschlossen worden, und die beinhalten, daß soundsoviel WM-Einsätze einfach sein müssen, um an das Geld ranzukommen.“ Die Beckenbauer-adidas- Schiene? Stein: „Ich hab' das vermutet, ja. Wenn man ein bißchen was im Kopf hat und sieht, wie das Spiel läuft, sind das Vermutungen, die sich aufdrängen, sich wohl aber nie beweisen lassen.“
Daß er was im Kopf hat, steht für Stein felsenfest. Vor sich selbst ist er nicht etwa ein Bundesligarüpel, sondern als Rebell des Rasens ein Opfer der Gesellschaft. „Ich habe immer Rückgrat bewiesen, aber Leute, die ihre Meinung kundtun, sind in unserer Gesellschaft nicht gern gesehen; ihnen macht man das Leben schwer.“ Wo er, „einer der letzten Straßenfußballer“, doch schon eine „harte, sehr harte Jugend“ hatte. Sieben Kinder, die von Sozialhilfe leben mußten. „Da war Fußball ein Halt. Da habe ich Willen entwickelt.“
Nur: Danken tut ihm das keiner. „Wenn einer kein Duckmäuser ist, kriegt er von allen Seiten Feuer“, weiß der Gebrannte. Und orakelt theatralisch: „Wenn es kein Rebellentum mehr auf dem Rasen gibt, geht der Fußball kaputt. Solche Typen wie ich sind vom Aussterben bedroht.“ miß
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