PRESS-SCHLAG: Dollar gegen Yen
■ Erbitterter Wettstreit zwischen Nagano und Salt Lake City um die Olympischen Winterspiele 1998
Japan und die USA haben ein kleines historisches Problem miteinander. Spätestens seit Pearl Harbour und Hiroshima sind die beiden Nationen nicht sonderlich gut aufeinander zu sprechen, und die Aktivitäten von Mitsubishi, Sony und anderen Söhnen Nippons tragen nicht gerade zur japanischen Beliebtheitssteigerung in den USA bei. Nun hat sich zu den bisherigen Animositäten ein weiterer Zankapfel gesellt: die Olympischen Winterspiele 1998, die das Internationale Olympische Komitee (IOC) heute in Birmingham vergibt.
Favoriten der Wahl sind die Mormonenmetropole Salt Lake City und das japanische Nagano. Wenig Chancen werden, obwohl die greisen Olympier stets für eine Überraschung gut sind, den europäischen Bewerbern Östersund (Schweden), Aosta (Italien) und Jaca (Spanien) eingeräumt, da schon die Winterspiele 1992 (Albertville) und 1994 (Lillehammer) auf dem europäischen Kontinent stattfinden.
Die Wellen der Rivalität zwischen Salt Lake City und Nagano schlugen schon im Rahmen der Bewerbungskampagne ziemlich hoch. Die Japaner machten dabei ausgiebig von dem schlechten Image Gebrauch, daß der Dollar durch die dubiose Vergabe der Sommerolympiade 1996 nach Atlanta, die sogenannten „Coca-Cola-Spiele“, bekommen hat. „Die Yankees wollen die Spiele kaufen“, klagen die Japaner an und verweisen darauf, daß die Hauptstadt Utahs eingestandenermaßen 63 IOC-Mitglieder zur Besichtigung eingeladen und pro Olympier stolze 20.000 D-Mark zwecks Bewirtung respektive Bestechung investiert hat. Im Gegenzug hatte der Präsident des amerikanischen Organisationskomitees wenig Schwierigkeiten mit der Frage, was denn wohl schlimmer sei als ein fetter, häßlicher Amerikaner: „Ein fetter häßlicher Japaner.“
Salt Lake City führt mit Vorliebe die ökologischen Probleme Naganos ins Gefecht. Die 200 Kilometer nördlich von Tokio gelegene 350.000-Einwohner-Stadt ist zwar das führende Wintersportzentrum Japans, doch müßte dort — anders als in Utah, wo fast alle benötigten Einrichtungen bereits existieren — noch jede Menge gebaut werden. Bei der derzeitigen Gigantonomie Olympischer Spiele bringt dies schwerwiegende Eingriffe in die Natur mit sich und in Nagano hat sich bereits heftiger Widerstand formiert, der sich auch dagegen richtet, daß dem Präsidenten des Organisationskomitees, Yoshiaki Tsutsumi, einem der reichsten Männer Japans, fast sämtliche Hotels und Ländereien in dem Gebiet gehören.
Nagano weiß, wie allergisch das IOC auf organisierten Widerstand aus der Bevölkerung reagiert und beruft sich daher auf die tausend Befürworter der Spiele, die — angeblich auf eigene Kosten — nach Birmingham gereist sind. Von den Olympiagegnern konnten sich nur sieben den Trip nach England leisten. Zu guter Letzt reduziert sich die Sache also doch wieder auf die Frage: Dollar oder Yen. Matti
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