PRESS-SCHLAG: Katrin Krabbe, DDR
■ Die Leichtathletik-Weltmeisterin verteidigt in einem Interview tapfer ihr verstorbenes Heimatland
Daß so vieles aus der DDR auf der Strecke bleibt, finde ich einfach schade“, bedauert Katrin Krabbe aus Neubrandenburg in Mecklenburg-Vorpommern in der BRD in den Grenzen von 1991. Eine Gewinnerin der Einheit denkt in einem 'SPORTS‘-Interview an die Verlierer. Sie ist schockiert, „wie die Arbeitslosigkeit um sich greift und sich Unzufriedenheit breit macht“. Die Besitzerin eines Sportgeschäfts ist überzeugt, daß die Montags-Demonstranten „sich etwas anderes erhofft haben, als nun herausgekommen ist“.
Das Thema „DDR“ gefällt also Katrin Krabbe, da verteidigt sie die Kinder- und Jugendsportschulen, die Sportclubs — „das ganze Sportsystem war phantastisch, es war großartig. Sowas qualitativ Gutes hat kein anderes Land gehabt“, schwappt sie über vor Stolz. Die Sprinterin, die als Europameisterin 1990 noch die DDR-Hymne hörte („Ich hatte einen Kloß im Hals und war traurig“), lauschte als Weltmeisterin ein Jahr später bereits dem Deutschland-Lied („Das ist etwas Fremdes für mich“).
Das Thema „Vereinigung“ akzeptiert Katrin Krabbe. Sie gesteht Probleme mit dem Leben im neuen Deutschland. Das ist allgemein verständlich, aber bei einer Athletin, die inzwischen 30.000 Dollar plus Spesen und Flugkosten für einen Hundertmetersprint kassiert, schwer vorstellbar. „Wenn ich jetzt sage, daß ich nicht für Deutschland laufe, kann das falsch aufgefaßt werden“, würde die „Bannerträgerin der deutschen Leichtathletik“ trotzdem nie mit einer Deutschlandfahne im Siegesrausch durch ein Stadion rennen. Hoffen wir's.
Das Thema „Doping“ haßt Katrin Krabbe: „Ich verstehe überhaupt nicht, warum mir immer wieder diese Fragen gestellt werden.“ Ohne Angst vor eventuell und überraschend auftauchenden Doping- Dokumenten bezeichnet sie sich als „absolut sauber“.
Und verteidigt die ehemaligen Sportstars ihrer Jugend und ihres Heimatlandes: „Ich habe diese Leute über Jahre bewundert, nun werden sie so abgewertet. Das ist zum Heulen, ehrlich.“ Katrin Krabbe vermittelt einen geringen Einblick in die Gefühlswelt derer, für die der DDR-Sport das Größte war und nun das Letzte werden soll.
Das Thema „Medien“ mag Katrin Krabbe auch nicht: „Das meiste, was über mich geschrieben wird, überlese ich.“ Nur ihre Boulevard-Kolumnen nicht, die viele ihrer vorherigen Aussagen fragwürdig erscheinen lassen. Boris Beckers Warnung vor den „Geschichtenerfindern“ schlägt sie in den Wind. „Mit diesem Vertrag kann ich jetzt steuern, was in der 'Bild‘-Zeitung über mich geschrieben wird und was nicht“, glaubt sie wirklich. Wenn's nur darum geht, hätte sie das in der taz ja nun wirklich auch haben können.
Risikofreudig und engagiert kämpft Katrin Krabbe für „die Sache“ ihrer Landsleute. Als Newcomerin der deutschen Leistungsgesellschaft läuft sie ins Rampenlicht und kann doch nicht über ihren Schatten springen: „Ich bin kein Politikfreak, mir fehlt da eigentlich auch der Durchblick.“ Und so rutscht der Läuferin am Ende eines Trainingstages ein Satz heraus, den sich eigentlich ihr Bundeskanzler ins Stammbuch schreiben möchte: „Mann, da hast du wieder eine schwere Einheit hinter Dich gebracht.“ bossi
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