piwik no script img

PRESS-SCHLAGAdvantage Thränhardt

■ Der Hochspringer und sein Bruder wollen mit einem Film über „Freund“ Boris Becker viel Geld verdienen

Die Manager-Crew des Pay-TV- Kanals „Premiere“ hatte für einen festlichen Rahmen gesorgt. Im feinen „Literaturhaus“ an der Hamburger Außenalster, dessen gepflegtes Ambiente sonst vorwiegend auswärtige Dichter bei Gastlesungen ihrer literarischen Ergüsse umgibt, durften diesmal Reporter fürs Grobe Platz nehmen, die hauptberuflich aus schlecht geheizten Hallen oder zugigen Stadien über jedwede Art von sportlicher Ertüchtigung berichten.

Nun saßen sie an weißgedeckten Tischen mit piekfeinem Silberbesteck und mümmelten Croissants. Vorhang auf zur Premiere des Dokumentarstreifens über einen Weltstar: Boris Becker. Und wer immer noch nicht glaubte, hier einem bedeutenden Ereignis beizuwohnen, dem half eine aufpolierte Hochglanz-Pressemappe auf die Sprünge. Nicht irgendwer hat den Film erstellt, sondern Becker-Intimus und Hochspringer Carlo Thränhardt, der den Tennisspieler mit seinem Bruder Bernd ein Jahr lang mit der Kamera durch „alle Höhen und Tiefen“ begleitete.

Am 25.November erfolgt für die 230.000 „Premiere“-Abonnenten die „Welt“-Uraufführung eines Films, der Becker als Privatier jenseits des Rampenlichts zeigen soll. Einen Monat später sendet die ARD das Ereignis zur allerbesten Sendezeit als Weihnachtsgeschenk. „Durch die Freundschaft mit Becker“, wirbt „Premiere“ bedeutungsschwanger, „konnten die Thränhardt-Brüder ein ebenso aufrichtiges wie emotionales Porträt zeichnen, das in seiner Offenheit einmalig ist.“ Boris Becker gibt darin seine neuesten Erkenntnisse über das Leben an sich und das Tennis für sich von sich.

Das ganze soll unter dem ambitionierten Titel Advantage Emotion weltweit vermarktet werden. Manchmal fängt Freundschaft eben beim Geld an. Doch diese argwöhnische Vermutung wiesen die beiden blonden Brüder engagiert und weit von sich. Auf Fragen nach den Kosten des Films geben sich die Thränhardt-Jungs zugeknöpft. „Teuer“, sagt Bernd. „Sehr teuer“, sagt Carlo.

Um ihr Werk rechtzeitig fertigzustellen, sitzen sie derzeit Tag und Nacht im Schneideraum. Denn bislang ist erst rund die Hälfte des Films fertiggestellt. Becker spielte den Hauptdarsteller zum Nulltarif. Trotzdem, so munkelt man in Branchenkreisen, hat die Aufzeichnung von 120 Stunden Filmmaterial die Thränhardts 800.000 Mark gekostet.

Doch „Premiere“ und ARD zahlten bisher nur 470.000 Mark. Intensiv verhandeln die „Filmemacher“ deshalb mit dem Ausland — bislang ohne zählbaren Erfolg. Da hilft dann nur noch die harte Tour. Vorab-Fotos aus dem Film rückten die Thränhardts nur gegen Vorkasse raus. Prinzipiell. Da pokern sie knallhart.

Soviel Geschäftssinn hatten selbst die Pay-TV-Manager nicht erwartet. Eindrucksvolle Bilder hatten die Fernseh-Leute den Hamburger Boulevard-Blättern in Aussicht gestellt. Honorarfrei zu verwenden, versteht sich — wenn der Name des Senders im dazugehörigen Bericht auftaucht. Doch die Thränhardts gaben die Video- Prints nicht frei. „Die wollen jedes einzelne Foto meistbietend verkaufen“, zuckte ein „Premiere“-Mann frustriert mit den Schultern, „da kennen die nichts. Becker ist ihre große Chance. Die nehmen jede Mark mit.“ Georg Altrogge

P.S.: Während sein Freund Carlo kräftig Geld scheffelt, schwingt Boris Becker munter das Racket. Beim Hallen-Turnier in Stockholm schmetterte er den Jugoslawen Goran Prpic in nur 77 Minuten mit 7:6 und 6:1 vom Platz und erreichte das Viertelfinale. Einen Tag vorher hatte sich Becker noch 2:34 Stunden gegen den Italiener Camporese mühen müssen. Vielleicht fehlten die Dokumentarfilm-Kameras der Thränhardt-Brüder...

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen