PRESS-SCHLAG: Dilettanter Transpirant
■ Der 'Spiegel‘ läßt zum Ende der Affäre Krabbe noch einen dicken Zeugen auftauchen, der nur dünn zeugt
Überall Schurken und Dunkelmänner, Hehler und Roßtäuscher, Fädenzieher und Verführte. Der Fall Krabbe hat bislang nahezu alle Rollen glänzend besetzt, die der klassische Krimi (auch in seiner komischen Form) so kennt. Fehlte nur noch das Depperl. Also einer, der den ganzen gut geplanten Coup auffliegen läßt, weil gegen jeden guten Rat die Diebesbeute sofort in Luxuslimousine und Zobel für die Angebetete umgesetzt wird.
Seit Samstag gibt's auch dafür eine stilechte Besetzung: Theo König, 62, „Südafrika-Fan“ ('Spiegel‘). Feistblunsig und schwitzend präsentierte er sich im „Aktuellen Sportstudio“, als Zeuge der Anklage erstaunlicherweise. Diesem Herrn, das wurde schnell deutlich, würde man keine Radkappe abkaufen, geschweige einen Gebrauchtwagen. Trotzdem fußt der neueste Artikel des Hamburger Nachrichtenmagazins (Krabbe-Trainer Springstein habe Anabolika verabreicht ohne ihr Wissen) auf nichts als seinen Aussagen.
Das wundert dann doch. Gerade der 'Spiegel‘ war in der anabolen Geschichte die treibende Kraft zur Enthüllung, ebenso unerbittlich wie seriös, auch mit weitgehenden Prognosen stets richtig gelegen. Und nun also: Irrungen und Wirrungen.
Im Fernsehen gewann Zeuge König nur mählich Klarheit über seine Gedanken. Ja, es war zur geistigen Potenz dieses Mannes der Eindruck zu gewinnen, er könne ein Memory-Spiel nur dann selbsttätig auflösen, wenn nur noch zwei Kärtchen auf dem Tisch liegen — und auch dann nur mit äußerster Mühe. Oh, sicher hat er mit Trainer Springstein gesprochen, oh, gewiß hat der nicht gesagt, er habe Anabolika verabreicht, oh, freilich ist das nur eine Interpretation von Theo König, oh niemals war der Reporter vom 'Spiegel‘ dabei.
Soviel geballter Stuß sorgte sogar beim alerten Bernd Heller (ZDF) für gefühlsmäßige Derangierung, er ließ den dilettanten Transpiranten irgendwann einfach sitzen und schwitzen.
Allzu lang wird das Theater nicht mehr gehn. Katrin Krabbe wird in Barcelona nicht starten dürfen, falls es keine wundersame Wunderhäufung gibt, ihre 11,70 Sekunden von Neubrandenburg waren womöglich die letzten muskulären Zuckungen dieser sportlichen Karriere — sicher ungedopt, aber schneckenlangsam. Erinnerungen an Ben Johnson.
Falls Thomas Springstein nicht bis zum morgigen Dienstag mit der Wahrheit und nichts als der Wahrheit auspackt, will Theo König ernsthaft „mit Beweisen an die Öffentlichkeit“, denn es sei nun an der „Zeit, die Hosen herunterzulassen“. Sachlich wäre das durchaus interessant, aber bei Herrn König mochte man das aus ästhetischen Gründen eigentlich nicht sehen. Herr Thömmes
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