PRESS-SCHLAG Über den Umgang mit Nazis beim österreichischen Renommierklub Austria Wien: Lilafarbene Ostmärker
Love Austria, Hate Nazis“, dieser Spruch klebt im Lift, der in der Wiener Hauptbibliothek zur Diskussionsveranstaltung „Verklärt, verdrängt, vergessen“ führt. Mit Austria ist nicht das gleichnamige Alpenland gemeint, sondern der Wiener Fußballverein, der sich nach dem „Anschluss“ 1938 in peinlicher Anbiederung an die neuen Machthaber kurzzeitig in SC Ostmark umbenannte. Genau darum ging es bei dieser vom Club 2x11 veranstalteten Debatte, die anlässlich eines Forschungsauftrags zur Aufarbeitung der NS-Vergangenheit des Traditionsvereins organisiert wurde.
Der alte Stadtrivale Rapid hat schon vor fünf Jahren mit Unterstützung des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes das Buch „Grün-Weiß unterm Hakenkreuz“ herausgegeben. Darin findet sich auch ein Foto, auf dem die Mannschaft 1941 im Berliner Olympiastadion geschlossen die Hand zum Hitlergruß hebt. Rapid wurde damals deutscher Meister. Der Hitlergruß und die Beflaggung der Stadien mit Hakenkreuzfahnen sei damals von oben verordnet gewesen, weiß der Grazer Historiker Walter Iber. Es gebe von anderen österreichischen Vereinen auch solche Bilder.
Die in Violett spielende Wiener Austria galt in der Zwischenkriegszeit als „Judenverein“, was vor allem auf die Funktionäre zutraf. Vorm „Anschluss“ sei ein einziges Vorstandsmitglied nicht jüdisch gewesen, sagt der Sportjournalist Johann Skocek. Er sichtet für das Forschungsprojekt gerade die Wiener Ausgabe des Völkischen Beobachters und ist überrascht, „dass die Austria schon im Herbst 1938 nicht mehr als Judenklub firmierte und ganz normales Mitglied der Gau-Meisterschaft geworden ist“. Die jüdischen Funktionäre seien sehr bald vertrieben oder umgebracht worden.
Interessante Details fanden die Forscher über Walter Nausch, der Anfang der 1930er Jahre Mitglied des Wunderteams war und bei der WM 1954 als Teamchef fungierte. Nausch sei zwar, weil er sich von seiner jüdischen Frau nicht scheiden lassen wollte, in die Schweiz emigriert. Aber, so Skocek: „Er ist entgegen den gängigen Mythen nicht geflüchtet, sondern war immer Bürger Österreichs bzw. des Deutschen Reichs“ und reiste auch immer wieder nach Wien. Während der NS-Zeit und auch danach habe er sich ausgerechnet vom Wiener Rechtsanwalt und NSDAP-Mitglied Bruno Eckerl vertreten lassen. Die sportlichen Interessen standen also oft über der Ideologie.
Dass ausgerechnet die Fankultur von Austria heute rechtsextreme Kapriolen schlägt, ist für viele unerklärlich. Neonazi-Symbole und Fahnen wurden bereits aus den Stadien verbannt, auffällige Fans mit Platzverbot belegt. Ein Fan erinnert sich mit Schaudern an einen Flug zum Europacup-Spiel gegen den AS Rom, der mit grölenden extremistischen Schlachtenbummlern besetzt war.
Die Forschungsarbeit befinde sich noch am Anfang, sagt Projektchef Skocek. Er hofft, dass das Buch 2018 erscheinen kann. Diskussionsleiter Georg Spitaler von der kritischen Fußballzeitung Ballesterer fürchtet, dass sich ein möglicher Sieg des FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer bei den Bundespräsidentenwahlen am Sonntag auch auf die Aufarbeitung der finsteren Jahre auswirken könne: „Wer weiß, ob so ein Projekt dann noch möglich ist.“ Ralf Leonhard
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