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POTSDAM: „TRANSATLANTISCHE“ STATT ZEITGENÖSSISCHER MILITÄR-ANALYSENForscher auf der falschen Fährte

Von einem „Glanzlicht“ für den Wissenschaftsstandort Potsdam sprach der Präsident der Uni Potsdam, als gestern in der einstigen preußischen Garnison- und Residenzstadt ein „Forschungszentrum zu Fragen der transatlantischen Sicherheits- und Militärpolitik“ eröffnet wurde. „Glanzlicht“ – ist diese Laudatio nicht ein wenig verfrüht? Und mutet es nicht seltsam an, wenn in diesem Zusammenhang auf die militärischen Traditionen Potsdams ebenso Bezug genommen wird wie auf die aktuelle Funktion der Stadt als Sitz des „Einsatzführungskommandos“ der Bundeswehr?

Es ist begrüßenswert, wenn sich Wissenschaftler den Problemen zeitgenössischer Kriegfühung zuwenden: den lang dauernden Bürgerkriegen, dem Terror gegen die zivile Bevölkerung oder der Rolle der Gewaltunternehmer. Wer international, aber auch im eigenen Land für die Menschenrechte eintreten will, muss einen nüchternen Blick auf die Wirklichkeit riskieren. Ob aber das neue Institut einem solchen kritisch-reformerischen Impetus folgen wird, ist schon bei einem Blick auf das Ehrenpräsidium fraglich. Dort figuriert Heny Kissinger, dessen Rolle bei Massakern im Vietnamkrieg ebenso notorisch ist wie seine menschenverachtenden Machenschaften vor und nach dem Putsch gegen die Regierung Allende in Chile. Und Rudolf Scharping, der die völkerrechtlichen Bedenken wegen des Luftkriegs gegen Jugoslawien bzw. dessen Bevölkerung so souverän beiseite wischte? Zwei echte Säulenheilige am Eingangstor zur „transatlantischen Sicherheit“.

„Transatlantisch“ – das scheint für die Institutsgründer genau in dem Moment das Stichwort zu sein, wo die Kritik am amerikanischen „Unilateralismus“ eine eigenständige Politik der Europäischen Union auf die Tagesordnung setzt. Und käme es nicht noch viel mehr darauf an, an einer globalen Vorstellung von Sicherheit zu arbeiten, die sich den politischen und ökonomischen Ursachen der Kriege widmet? Keine Sorge, das Institut wird „Sicherheitsexperten aus Politik, Industrie und Medien in seine Arbeit einbeziehen“. Bei einem so umfassenden Ansatz können die fünf bundesdeutschen Friedensinstitute beruhigt ihre Beratertätigkeit einstellen. CHRISTIAN SEMLER

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