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PORTRAITS AUS DEM REVIERSchönes Zechenkind

Anika Beller-Kraft näht Unikate aus Bergmannskleidung. Taschen und kleine Accessoires wie Schlüsselbänder, Portemonnaies, Handytaschen.

Anika Beller-Kraft Bild: ZECHENKIND

Ich bin ein Ruhrpottmädel aus Dortmund", sagt Anika Beller-Kraft, "quasi selbst ein Zechenkind." Zechenkind hat sie auch das Designlabel getauft, das sie vor anderthalb Jahren gründete. Mit der Ruhrpottmarke startet die Mittdreißigerin seitdem erfolgreich durch. Mit anderen Kreativen teilt sich die Textildesignerin ein Atelier auf einer Fabriketage des Union Gewerbehofs unweit des Dortmunder U, des Zentrums für Kunst und Kreativität, am Rand der Innenstadt. Aus recycelter Bergmannskleidung - Jacken, Hosen und Hemden, die Kumpel unter Tage getragen haben - fertigt Anika Beller-Kraft Taschen und kleine Accessoires wie Schlüsselbänder, Portemonnaies, Handytaschen. "Ich hauche denen neues Leben ein", sagt die Designerin.

Alle Zechenkinder sind handgemachte Unikate. Denn der Kohlenstaub verfärbt den anfangs schneeweißen Stoff beige, grau, braun. Je länger die Bergleute Hemd und Hose trugen, desto dunkler die Färbung des groben Materials. Imprägnierte Maloche, daran ändert auch keine Kochwäsche etwas. "In jeder Tasche steckt viel Geschichte des Ruhrgebiets", sagt die Dortmunderin. Individuell und nachhaltig, so sieht sie ihre Produkte.

Beller-Kraft nennt ihre Zechenkinder nach alten Zechen im Ruhrgebiet. Das bunte Modell, "sehr blümerant", mit Borten, heißt General Blumenthal wie der ehemalige Pütt in Recklinghausen. Das sportliche Querformat nennt sich Tremonia wie das einstige Steinkohlebergwerk (Tremonia ist lateinisch und heißt Dortmund.) Sein hochformatiger Bruder hört auf Hercules. Friedlicher Nachbar, eine frühere Zeche in Bochum-Linden, wäre ein prima Name für ein weiteres Zechenkind.

Zechenkind schafft viel Handarbeit. 15 langzeitarbeitslose Frauen aus Hagen schneidern die Modelle für die Jungunternehmerin, die selbst kaum mehr an der Nähmaschine sitzt. Wie alles anfing? Ihre Mutter ist Schneiderin, die kleine Anika wuchs zwischen Nähnadeln und Schnittmustern auf, stand für die Mama Modell. Später ließ sich Anika zur Orthopädie-Mechanikerin ausbilden - "da machte ich Korsetts und Mieder" -, bevor sie Journalismus an der TU Dortmund studierte. Und nebenbei aus Spaß für Freunde Taschen nähte, die ersten aus bedruckten Kaffeebohnensäcken vom Bremer Flohmarkt. Und rasch merkte, "dass der Zuspruch sehr groß war. Die Nachfrage ist so groß, dass Anika Beller-Kraft mit der Produktion kaum hinterherkommt. "Das ist ein Luxusproblem", sagt sie. Schon seit einem halben Jahr plane sie eine neue Kollektion. Ihre Produkte vertreibt sie über einen Onlineshop und über Händler. Bei allen Zechenkindern steht "Made im Ruhrgebiet" drauf. Hoch lebe die regionale Identität! www.zechenkind.de

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