PORTRAIT: Vom Bundesanwalt zum Verfassungsschützer
■ Wolfgang Pfaff ist erster Chef des Brandenburger Verfassungsschutzes/ SPD-Mann mit Hang zur Sachlichkeit
Berlin (taz) — Geheimdienstmethoden sind ihm ein Greuel, trotzdem glaubt er zu wissen, daß er ohne sie letztlich nicht auskommt: Wolfgang Pfaff, der neu bestellte Chef des Brandenburger Verfassungsschutzes, möchte seiner Behörde das Image eines klandestinen Schnüffeldienstes nehmen. Die Kernthese des früheren Karlsruher Bundesanwaltes: „Mir liegt daran, von Verfassungsschutz und nicht von Geheimdienst zu reden.“ Die Verfassung will Pfaff vornehmlich mit politischen Mitteln schützen. Nachrichtendienstliche Mittel, wie im Amtsjargon der Geheimdienstler das Abhören von Telefonen, Observationen, elektronische Wanzen und der Einsatz von V-Leuten genannt werden, wertet er vorsichtig als „Dinge, die nicht gerade positive Handlungsweisen ansprechen“. Allein schon um „die Sensibilitäten der Bevölkerung“ zu berücksichtigen, würde Pfaff — seit Jahren Mitglied der SPD — auf konspirative Methoden verzichten. Er weiß allerdings auch „zwischen Gefühl und Rationalität zu unterscheiden“. Vom Gefühl her sei er „klar“ gegen den Einsatz von V-Leuten oder Überwachungstechnologien, der Sachverstand sage ihm allerdings auch, daß er beispielsweise im Bereich des militanten Rechtsextremismus ohne Spitzel und ohne Überwachung nicht auskommen wird.
Mit „Prävention durch Aufklärung“ könnten zwar vermutlich die meisten der Jugendlichen, die sich in rechtsextreme Kreise verirrt hätten, erreicht werden — wo sich aber etwa konspirative Zirkel mit einer verfestigten neonazistischen Ideologie gebildet hätten, könne „man nicht tatenlos einfach zugucken“. Die Ratio veranlaßt den früheren Leiter des Fahndungsreferates bei der Bundesanwaltschaft zudem, den Wert verdeckt ermittelter Information kritisch zu bewerten. Ein Verzicht kommt für Pfaff aber schon deshalb nicht in Frage, „weil, was wir nicht machen, das macht Köln“. Sollte Brandenburg auf Agenten verzichten, wird stellvertretend das Kölner Bundesamt tätig.
Der Verzicht auf nachrichtendienstliche Mittel ist im ampelregierten Brandenburg gesetzlich in einem „Vorschaltgesetz“ geregelt. Die Vorschrift gilt auch für das noch zu verabschiedende Verfassungsschutzgesetz. Von Experten im Kölner Bundesamt wird es aber mit der Begründung als verfassungswidrig angesehen, daß ein einzelnes Landesamt aus der gemeinsamen Praxis aller Verfassungsschutzbehörden nicht ausscheren dürfe. Der Streit wird wahrscheinlich aber erst ausgetragen, wenn die Potsdamer Behörde (derzeit rund 15 Mitarbeiter) erst richtig installiert ist.
Die politische Heimat des neuen Amtsleiters ist leicht auszumachen. Pfaff macht keinen Hehl aus seiner Sympathie für Bundesjustizminister Klaus Kinkel (FDP), den er für sein „Leitbild in Bonn“ hält. In Brandenburg fühlt er sich dagegen seinem Parteifreund Manfred Stolpe besonders verpflichtet— „trotz und gerade wegen der derzeitigen Diskussion“ um die vielfältigen Kontakte des Landesvaters zu den Funktionsträgern im SED-Staat. Mit Kinkel teilt Pfaff die Leidenschaft für „politische“ Lösungen. Über zehn Jahre warb er als Einzelkämpfer in der obersten Anklagebehörde für einen im Ansatz „politischen“ Umgang mit der Rote Armee Fraktion (RAF) und deren Gefangenen.
Vor sieben Wochen wechselte Pfaff von Karlsruhe nach Potsdam. Kinkel hätte „seinen Mann“ am liebsten in der Strafverfolgungsbehörde weiter beschäftigt gesehen. Über die Ursache des Wechsels wird zwar nicht geredet, allerdings über ein ausgesprochen gespanntes Verhältnis zwischen Pfaff und seinem Vorgesetzten Alexander von Stahl offen gemunkelt. Wolfgang Gast
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