PORTRAIT: US-Bürger Premier in Belgrad
■ Erfolgreicher Emigrant Panic soll Rest-Jugoslawien regieren
Berlin (taz) — Warum nicht einen Amerikaner zum Regierungschef küren? Im heutigen Rest-Jugoslawien ist auch dies möglich. Obwohl verfassungswidrig, gilt es als sicher: Milan Panic, ein 62jähriger Amerikaner serbischer Abstammung, wird neuer Premierminister eines Staates, der de facto nur noch auf dem Papier existiert.
Panic gilt als einer der zehn erfolgreichsten Einwanderer in den USA. 1946 flüchtete er mit seinen Eltern über Heidelberg nach San Francisco. Er studierte Chemie und habilitierte sich in diesem Fach. 1960 gründete er das Pharmazeutische Unternehmen ICN, das heute in sechzig Ländern vertreten ist und einen jährlichen Umsatz von etwa einer halben Milliarde Dollar aufweist.
„Panic ist unser Hoffnungsträger“, titelte vor Tagen das Belgrader Massenblatt 'Politika‘: Wenn es einem gelingen könnte, die UN-Sanktionen zu beenden, dann Panic „mit seinen einflußreichen Kontakten“. Politisch einflußreich ist der weltweit tätige Unternehmer jedoch weder in Belgrad noch in Washington. Schon die Ernennung zum Regierungschef steht auf wackeligen Beinen. Da bereits der serbische Dichter Dobrica Cosic zum Präsidenten des Staatenbundes gekürt wurde, müßte eigentlich ein Montenegriner die Regierungsgeschäfte übernehmen. Zum anderen erlaubt die Verfassung nur jenen Ausländern politische Ämter zu bekleiden, die wenigstens fünf Jahren im Lande leben.
Panic, der seine Heimat erst seit zwei Jahren als Tourist gelegentlich besucht, kennt weder die Verhältnisse im Detail, noch verfügt er über politische Kontakte. Die kritische Tageszeitung 'Borba‘ glaubt zu wissen: Das Regime des serbischen Präsidenten Milosevic habe Panic deshalb als Regierungschef vorgeschlagen, um die bestehenden politischen Verhältnisse zu zementieren. Die reale Macht liege nach wie vor — trotz aller Straßenproteste in Belgrad— bei Milosevic.
Vieles spricht dafür, daß Milosevic selbst nicht mehr an ein international anerkanntes Jugoslawien glaubt. So ist auch sein Schachzug zu erklären, eine bedeutungslose neu- jugoslawische Regierung unter Panic zu etablieren. Gleichzeitig setzt das Regime in seinen letzten Verlautbarungen auf ein „starkes Serbien“. Roland Hofwiler
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