PKK-Chef sucht politische Lösung: Öcalans Fahrplan zum Frieden

Der inhaftierte PKK-Chef bereitet ein Papier vor, um die Kurden-Frage politisch zu lösen. Ankara gerät unter Zugzwang und scheint erstmals zum Dialog bereit zu sein.

Demonstration zum zehnjährigen Jahrestag der Festnahme Öcalans. Bild: dpa

ISTANBUL taz | Wer vor einigen Tagen die größte türkische Tageszeitung Hürriyet in Händen hielt, fühlte sich kurzzeitig an eine Fälschungen der New York Times erinnert. Denn die Schlagzeile des einflussreichsten Blatts des Landes widmete sich einem Friedensplan von Abdullah Öcalan, dem seit zehn Jahren auf der Gefängnisinsel Imrali inhaftierten Chef der kurdischen PKK.

Das das Ganze kein Fake war, zeigte sich im Innenteil des Blatts, wo Chefredakteur Ertugrul Özkök über ein Treffen mit Anwälten Öcalans berichtete, bei dem diese ihm die Roadmap zum Frieden erläutert hätten. Weitere Gespräche sollen folgen.

Das in Vorbereitung befindliche Papier zur "Lösung der kurdischen Frage" ist nicht der erste Vorschlag dieser Art, den Öcalan der türkischen Regierung unterbreitete. Aber es ist das erste Mal, dass ein Vorschlag des PKK-Chefs bei wichtigen türkischen Meinungsführern auf Interesse stößt. Neben Özkök sehen auch andere prominente Kolumnisten wie Mehmet Ali Birand die Regierung durch Öcalans Vorschlag, der offiziell am 15. August veröffentlicht werden soll, in Zugzwang.

"Entweder", so Birand, "kommt Premier Tayyip Erdogan noch vor Öcalan mit einem eigenen Plan an die Öffentlichkeit, oder er muss auf Öcalan reagieren". Denn wenn die Regierung die Diskussionen in der kurdischen Community ignoriere, würde sie eine der größten Chancen, den seit 25 Jahren andauernden Konflikt politisch anzugehen, verstreichen lassen. Neues Blutvergießen wäre die Folge.

Solche Töne sind neu in der türkischen Gesellschaft. Sie zeigen, dass endlich ein Punkt erreicht ist, wo einflussreiche Kreise bereit sind, eine echte politische Lösung für das größte Problem der Türkei zu suchen. Angestoßen wurde die Diskussion, als Präsident Abdullah Gül im März dieses Jahres in Bagdad auch Vertreter der kurdischen Regionalregierung traf. Auf dem Rückweg verkündete Gül, man werde noch 2009 positive Entwicklungen in der Kurden-Frage sehen.

Für die kurdische Regionalpartei DTP und auch für Öcalan war das das Zeichen, dass endlich eine türkische Regierung bereit zum Dialog ist. Seitdem drängt die DTP-Führung auf ein Gespräch mit Erdogan und mehr als 60 DTP-Bürgermeister wollen sich mit Staatschef Gül treffen.

Beide müssen sich bald entscheiden. Denn Öcalans Vorschläge sind auch aus Sicht vieler Türken diskutabel: Gleichberechtigung, kulturelle Eigenständigkeit und ökonomische Entwicklungsmöglichkeiten, abgesichert durch eine Verfassungsänderung, in der die Rechte der Kurden und der anderen ethnischen Minderheiten der Landes gewährleistet werden.

Separatismus wird verworfen und die Niederlegung der Waffen in Aussicht gestellt. Öcalan fordert dafür die Einrichtung von Wahrheits- und Gerechtigkeitskommissionen nach südafrikanischem Vorbild. Diesen Kommissionen würden nach vorheriger Generalamnestie die Waffen ausgehändigt.

Erdogan hat angekündigt, dass der Innenminister einen Regierungsplan vorlegen wird, der alle Elemente einer Lösung enthalten soll. Wie Öcalan denkt auch Ankara über die Landesgrenzen hinaus. Am Dienstag trifft sich der türkische Innenminister mit seinem irakischen Kollegen unter Beteiligung eines Emissärs der US-Administration. Thema: der Umgang mit der PKK im Nordirak.

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