PIZZA HARTZ IV : Wo Boxer speisen
Es war Sonntag. Ich war wieder bei meinem Lieblingstunesier gestrandet, nachdem ich den Nachmittag mit einem Augsburger Dichter zwischen Manteuffel- und Köpenicker Straße vor einer türkischen Bäckerei verbracht hatte. Mark drängte mich, mich auf ein Schriftstellerstipendium in Istanbul zu bewerben. Istanbul habe ich auch hier, schnaubte ich. Aber das ist doch nicht dasselbe, sagte er kategorisch. Und er hatte recht: Als ich vom Fahrrad stieg, kurz vor meiner Schlafkoje hinter Rathaus Neukölln, winkte mich der Pizzamann meines Vertrauens – er hat noch nie Kunstkäse verwendet – in seinen Laden: Wir haben was Neues: Hartz-IV-Pizza, ein Meter lang und 9 Euro 99 kostig.
Ich lachte, er klopfte mir mit seiner mehligen Hand auf die Schulter. No problem, man, ich sehe, du bist allein, wie wär’s mit ner Prosciutto. Okay, sagte ich. Während er den vorbereiteten Teigballen auf dem Marmortresen knetete, tauschten wir Meinungen über das aktuelle Tagesgeschehen aus: Iran, sagte ich, krass, oder? Der Ahmadinedschad hat wieder gewonnen. Er: Na ja, weißt du was, das haben die Amerikaner in die Wege geleitet. Warum?, fragte ich. Er: Na ja, die wollen was gegen die Schiiten starten. Ach, sagte ich, stimmt, die Sunniten haben sie ja in Irak und Afghanistan …
Bevor ich zu Ende sprechen konnte, war die Pizza schon fertig und landete in einem Karton, auf dem ein gutgelaunter dicker Pizzabäcker prangte. Hey, was hat es eigentlich mit der Pizza Hartz IV auf sich?, fragte ich, schon auf der Schwelle. Keine Ahnung, sagte er, das ist ein Marketinginstrument. Gestern waren hier 50 Berliner Boxer und bestellten 20 Meter – es hat also gewirkt! TIMO BERGER