PERUS PRÄSIDENT FUJIMORI LÄSST SICH VON DEMOS NICHT BEIRREN: Der überlegte Amokläufer
Perus Präsident Alberto Fujimori ist mit sich selbst zufrieden. Als er vor zehn Jahren zum ersten Mal einen Amtseid schwor, da hat er ein Land übernommen, das im Chaos versank. Heute hingegen wächst die Wirtschaft, und dies obwohl Katastrophen wie El Niño oder die Asienkrise zu überstehen waren. Und, folgt man Fujimori, wird in Zukunft alles noch besser. Selbstzufrieden lehnt sich der Präsident zurück und will nicht verstehen, was auf den Straßen vor sich geht. Donnerstagnacht demonstrierten 80.000 Menschen gegen seine Regierung – die größte politische Demonstration in Lima in den vergangenen 20 Jahren. Doch unbeeindruckt ließ Fujimori die politische Krise eskalieren; in bester Psychopatenmanier hat er den Protest gnadenlos und gewaltsam erstickt.
Wie geplant ist es ihm dabei tatsächlich gelungen, die Demonstranten zu diskreditieren. Öffentliche Gebäude gingen in Flammen auf, mehrere Menschen kamen ums Leben. Zwar spricht alles dafür, dass die Brandstifter im Präsidentenpalast und der Geheimdienstzentrale sitzen, aber trotzdem: Zunächst waren es seine Gegner, die Erklärungen liefern mussten. Und angesichts der vollkommen gleichgeschalteten Presse wird die Mehrheit der Bevölkerung nie erfahren, was Oppositionsführer Alfredo Toledo zu seiner Verteidigung vorzutragen hat.
80.000 Demonstranten sind ein Erfolg für die Opposition. Trotzdem bleibt die Frage, wie lange es gelingen wird, die protestierenden Massen bei Laune zu halten und auf die Straße zu treiben. Denn bislang hat sich die Opposition gegen Fujimori als konzeptlos erwiesen. Sie hangelte sich von Demonstration zu Demonstration, ohne dass das Endziel klar war – typisch für eine Bewegung, die auf einen charismatischen Führer wie Toledo zugeschnitten ist und nicht spontan von unten kommt.
Erst jetzt – und damit vielleicht zu spät – hat Toledo konkrete Vorschläge entwickelt. So soll eine neu gegründete „Demokratische Front“ alle Kräfte gegen Fujimori bündeln. Zudem will man in vier Monaten Regionalwahlen unabhängig von der Regierung abhalten. Dies ist zwar endlich eine klare Kampfansage, auf die die Massen lange gehofft haben – doch gleichzeitig extrem gefährlich. Es ist kaum vorstellbar, dass Fujmori und sein Berater Vladimiro Montesinos abwarten werden, dass man unter ihrem Schreibtischstuhl ein Feuer entzündet.
Präsident Fujimori ist ein wohl überlegter Amokläufer. Und je länger er an der Macht ist, umso störrischer wird er in seinen Reflexen und umso absurder in seinen Argumenten. Aber auch umso rücksichtsloser und subtiler in seinem Vorgehen. INGO MALCHER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen