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PDS-Kandidatenkür mit dem Scheckbuch?

■ Schwere Vorwürfe grüner Politiker aus Baden-Württemberg: Linke Grüne von PDS abgeworben?

Berlin (taz) — Christian Vogt-Moykopf will zwar keine Namen nennen, aber den Vorgang möchte er nicht verheimlichen. Der Grünen-Bundestagskandidat aus Tübingen ist nach eigenen Angaben erst von guten Bekannten angesprochen, dann telefonisch von einem PDS-Präsidiumsmitglied gefragt worden, ob er statt für die Grünen nicht für die Linke Liste/PDS kandidieren möchte. Falls er in finanzieller Hinsicht Bedenken hätte, habe man vorab klargemacht, ließe sich schon etwas regeln. In Vogt-Moykopfs Fall stünde ein Posten im PDS-Landesvorstand Brandenburg bereit, der gemäß Bundesangestelltentarif III/II A, also etwas über 3.000 Mark netto, honoriert werden könnte.

Vogt-Moykopf, der sich zum linken Flügel seiner Partei zählt, lehnte dankend ab. Er mußte aber erfahren, daß die Werber aus westdeutschen PDS-Initiativen und der Ostberliner Zentrale nicht nur an ihn herangetreten waren. Mit der Freiburgerin Grit Mossmann hatte man sich zumindest eine weitere Bundestagskandidatin der Öko-Partei ausgeguckt — wie Vogt-Moykopf ebenfalls aus der linken Grünen-Strömung. Ihr habe man sogar Platz eins der Linke Liste/ PDS-Landesliste in Baden-Württemberg versprochen. Und der Tübinger Grünen-Politiker weiß auch, daß einige weitere Parteimitglieder seines Flügels für eine Mitarbeit bei der Gysi-Partei geworben werden sollten. Darunter soll auch ein Mitarbeiter der Bundesgeschäftsstelle in Bonn sein. Die dortigen Beschäftigten wissen nach eigenen Angaben jedoch nichts davon.

Der Deal läuft nach Vogt-Moykopfs Darstellung zuerst über „sogenannte Sondierungsgespräche“. Personen aus dem politischen Bekanntenkreis des Ausgesuchten, die bereits zur Linken Liste übergelaufen sind, pirschten sich an ihn mit dem Wunsch nach „punktueller Zusammenarbeit“ heran. Gezielt sucht man sich dabei, so Vogt-Moykopf zur taz, Mitglieder der Grünen aus, die für ihr offenes Verhältnis zur PDS bekannt sind. Später würde mit „finanziellen Angeboten“ und dem beiläufigen Hinweis unterfüttert, welche Gremien und Funktionen noch zu besetzen seien. Für den Tübinger Grünen-Politiker ist mittlerweile klar: „Diese knallharte Lockvogelpolitik müßte schon ausreichen, um diese Partei vollständig zu diskreditieren.“ Daran ändere auch „die Vermutung nichts, daß diese Methoden schon aus Praktibilitätsgründen nur in einem kleinen Kreis ausgetüftelt worden sind und koordiniert werden dürften“. Der erste Abwerbeversuch habe vor vier Wochen stattgefunden.

Vor diesem Hintergrund zweifeln diejenigen, die der PDS einen Korb gegeben haben, an der Integrität all derer, die sich bereits der Linken Liste/PDS anschlossen. „Von denen wird niemand erzählen“, meint Vogt-Moykopf, „unter welchen Bedingungen er dieser Wahlliste beigetreten ist.“ Und deren baden-württembergische Vertreter dementieren die Abwerbungsversuche heftig. In der Ostberliner PDS-Zentrale war gestern keine Auskunft zu bekommen. In anderen Landesverbänden der Grünen ist über derartige Versuche, die Wahllisten der Linken Liste/ PDS aufzufüllen, noch nichts bekannt. Das dürfte sich allerdings am nächsten Wochenende ändern. Beim dann stattfindenden Kongreß der Linken Liste/PDS rechnen viele mit der Bekanntgabe weiterer Übertritte. Die bekanntesten Grünen- Aussteiger der letzten Tage waren das Ex-Vorstandsmitglied Jürgen Reents aus Hamburg und der bisherige Vorstandssprecher der baden- württembergischen Grünen, Dieter Hummel. Axel Kintzinger

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