PDF-Magazine auf dem Vormarsch: Das universelle Format
Man kann PDF-Magazine nur am Computer lesen. Wenige kennen sie. Trotzdem: Viele sind hervorragend gemacht, und ihre Zahl steigt - für die Macher sind sie Spielplatz und Forum.
Ihre Eigenart ist das Flüchtige. Es gibt sie weder am Kiosk zu kaufen noch physisch im Briefkasten: PDF-Magazine. Viele kennen sie nicht, wenige kennen sie doch, winken aber desinteressiert ab - und nur eine Minderheit nickt mit glühenden Augen.
Die Magazine sind überwiegend kostenlos, nichtsdestotrotz aufwendig gestaltet, mit teuren Fotostrecken, hübschen Illustrationen und Texten von banal bis clever. Sie unterscheiden sich einzig in ihrer Materialität vom klassischen Magazin. Theoretisch könnten sie natürlich ausgedruckt werden - wären sie nicht selten sechzig Seiten und mehr stark.
"Mute": www.metamute.org, Großbritannien.
"Hope-Hope Magazine": hopehope.ch, Schweiz.
"John Magazine": http://johnmagazine.free.fr, Frankreich.
"Daheim": www.daheim-magazin.de, Deutschland.
"Analogue Magazine": www. analoguemagazine.com, Irland.
"Dottodot": www.dottodotmag.com, Russland.
"Noeud": www.levilain.org, Frankreich.
"Klitorik": www.klitorik.com, Deutschland.
"Five to Nine": www.fivetoninemagazine.com, USA.
"Beast Magazine": ths.nu/beast/index.html, PDF-Pioniermagazin von 2001, eingestellt.
Überblick: pdf-mags.com
Einzig ein Link im Netz erlaubt, eine PDF-Datei zu laden, geblättert wird das Magazin im Acrobat Reader. Zwischen drei und fünf Megabyte wiegen die Dateien, mehr würde das Budget der Macher sprengen - ein Budget, das meistens keines ist. Speicherplatz auf dem Webserver ist nach wie vor kostbares Gut.
Noch sind die Magazine ein seltenes Phänomen, aber die Szene der PDF-Magazin-Macher, sofern man sie so nennen kann - sie ist "nicht formiert", wie Rainer Berg sagt -, ist lebendig. Berg bietet ihr mit der Website www.pdf-mags.com eine Plattform. Er datiert die Anfänge des Phänomens auf 2001. Vor knapp eineinhalb Jahren begann er, systematisch Links zu sammeln. Damals waren es rund 20, heute listet er 200 Magazine auf, wöchentlich werden neue eingereicht. Er unterscheidet die digitale Version von gedruckten Magazinen, wie etwa jene von De:bug, von denen, die nur als PDFs existieren. Sie heißen John Magazine, Dottodotmag, Hope-Hope, Klitorik, Analogue Magazine, Five to Nine oder einfach nur Daheim - sind jung, frisch und glossy.
Was aber ist der Reiz eines Magazins, das man weder auf dem Klo noch in der U-Bahn liest und das schon gar nicht das Sofatischchen schmückt? Die Antworten pendeln irgendwo zwischen den Stichwörtern "Format" und "Verfügbarkeit". Verfügbarkeit ist ein bekanntes Relevanzkriterium der heutigen Zeit - bedeutet: schnell, überall und billig, wenn nicht gar kostenlos. Und das Format genießt nicht nur bei Gestaltern ein hohes Ansehen.
Denn PDF bedeutet: plattformübergreifendes Dateiformat. Und garantiert, dass das Dokument auf deinem Rechner aussieht wie auf meinem. Das heißt, weder werden sorgfältig gestaltete Schriften noch Fotos oder Illustrationen verzerrt oder nicht angezeigt - sondern es gilt das Versprechen von Wysiwyg: "What you see is what you get". Sogar Töne und Video vermag das universelle Austauschformat zu integrieren.
Schöne neue Welt: allerliebst gestaltete Magazine, immer verfügbar und kostenlos dazu. Wer aber steckt dahinter? Zum Beispiel Brendan McGuirk. Der Ire ist Herausgeber des Analogue Music Magazine, weil ein Magazin mit Musikberichterstattung ihm und seinen Freunden fehlte. Deshalb spiele auch Geld keine Rolle, denn jeder, der mitmache, freue sich, Teil des Projekts zu sein. Auch Dottodotmag, das erste russische PDF-Magazin, möchte eine Lücke schließen. Die beiden Macherinnen, Anastasia Gerasimova und Anastasia Sarycheva, wollten ein Magazin machen, das sie selber gerne lesen würden und die jungen russischen Leser mit Underground-News zu Musik, Mode und Kunst versorgen sollte. Nicht nur aus St. Petersburg, versteht sich, sondern auch aus Stockholm und London berichten seit einem Jahr Journalisten und Fotografen über Trends.
Sylvain vom Noeud Magazine erklärt sich die Bereitschaft, gratis zu arbeiten, mit der Frustration vieler Gestalter, die es leid seien, auf ihren Lohn zu warten. Wahrscheinlich wirken deshalb viele Magazine wie Portfolios: Denn für Gestalter ist die Gratismitarbeit im besten Fall eine Referenz für bezahlte Aufträge. Das Format wird seinem Anspruch gerecht und bietet den Heerscharen von Kreativen eine Plattform, auf der sie sich präsentieren können.
Bei Hope-Hope, einem Modemagazin aus Zürich, funktioniere dies, meint Sybille Steindl, eine der beiden Herausgeberinnen. Sie hätten bereits Aufträge über das Magazin, das als Diplomprojekt begann, generiert. Dennoch, warum genügt nicht ein Blog? Weil die kompakte Form wichtig sei, meint McGuirk. Und Steindl von Hope-Hope meint, sie würden selbst bei PDF bleiben, wenn Geld für den Druck vorhanden wäre.
Berg, selber Gestalter, prognostiziert den digitalen Magazinen eine glanzvolle Zukunft. Denn das PDF-Format sei noch nicht ausgeschöpft und die Ausgabegeräte seien noch nicht optimal abgestimmt. Bald werde es die bereits auf Messen präsentierten "E-Paper" in Serie geben, glaubt Berg, und die Menschen würden in der U-Bahn wie im Flugzeug in ihren Lieblingsmagazinen blättern können. Dann erst werden wohl die Augen jener leuchten, die eingangs noch besorgt die Köpfe schüttelten - und werden die Macher auch genügend Leser finden, die ihre unbezahlten Mühen mit Aufmerksamkeit belohnen.
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