PARTEIFREUNDE: Die CDU zerlegt sich
Während die Parteiführung sich bedeckt hält, fliegen in der Bremer CDU die Fetzen. Jens Eckhoff verweist auf die Führungsverantwortung von Thomas Röwekamp
Offiziell gelten gepflegte Sprachregelungen, aber zum Beispiel im geschützten Bereich von Facebook wird Tacheles geredet. "Du bist und bleibst eine politische Nutte, Malte", schleuderte der CDU-Bildungspolitiker und Bürgerschaftsabgeordnete Claas Rohmeyer seinem Parteifreund Malte Engelmann entgegen.
Engelmann, der im Amte des JU-Vorsitzenden einmal Nachfolger von Rohmeyer war und derzeit Vorsitzender des "Metropolverbandes Bremen" der Jungen Union ist, hatte sich auf seiner Facebook-Seite über den Durchfall von Rohmeyer lustig gemacht: "Nicht nur in der Bundesliga: Auch in der Bremer CDU geht das Favoritensterben weiter ..." hatte Engelmann da gepostet. Rohmeyer hatte bei der Kandidaten-Kür in seinem Stadtbezirksverband die Mehrheit der gültigen abgegebenen Stimmen, aber nicht die Mehrheit der Stimmen der Anwesenden bekommen und wurde vom Versammlungsleiter als "abgelehnter" Kandidat bezeichnet.
Nach Wolfgang Schrörs habe es nun auch Rohmeyer "erwischt", hatte Engelmann erläutert. Obwohl das am Montag zu später Stunde passierte, meldete sich prompt Jens Eckhoff zu Wort: "Abgerechnet wird immer zum Schluss", bemerkte der ehemalige Bausenator. Und dass das Volk am Ende abrechne, das sei "das Gute und Neue dank dem neuen Wahlrecht".
Woraufhin Engelmann frotzelte: "Und das Volk wartet auf Rohmeyer, Jonitz und Glintenkamp? Gute Nacht." Dies war die Stelle in dem nächtlichen Dialog, den Rohmeyer mit der "politischen Nutte" quittierte.
"Super!" applaudierte Björn Rödig zu der Nicht-Wahl: "Nichtsnutze dahin, wo sie hingehören und das ist nicht das Parlament." Ein Freund aus Berlin lud Rohmeyer hingegen ein, nach Berlin überzusiedeln, wo "vielleicht im Öffentlichen Dienst" ein Pöstchen für ihn zu haben wäre. "Danke für die nette Einladung, aber ich hab hier noch was auszumisten!" antwortete Rohmeyer. Engelmann hat sich übrigens, das darf in diesem Zusammenhang nicht verschwiegen werden, für seine persönliche Facebook-Präsenz ein japanisches Sprichwort als Motto gewählt: "Man muss nur lange genug am Fluss sitzen bis die Leichen der Gegner an einem vorbeischwimmen."
"Man kann es kaum fassen, was für ein Kindergarten. Erst besetzt der Röwekamp die falschen Themen, jetzt auch noch eine stümperhafte Personalpolitik. Wünsche viel Spaß als drittstärkste Kraft im Parlament. Richtig gut ist was anderes. Dieses ist ein Trauerspiel", bemerkt ein anderer Debattenteilnehmer.
"Richtig gute Partei" war das Motto, unter dem eine Werbeagentur die Bremer CDU zur Marke machen wollte. "Fair, innovativ, kompetent" sollten die Markenwerte sein. "Aber wir sehen ja, dass das in der Partei nicht gelebt wird", sagte der CDU-Politiker Dieter Focke gegenüber Radio Bremen. Er gehe davon aus, dass die Entscheidungen der CDU "in einem kleinen Zirkel" vordiskutiert und dann gestreut werden.
Aus Schwachhausen wird berichtet, dass die stellvertretende Vorsitzende Rita Mohr-Lüllmann die Botschaft "herumtelefoniert" habe, Schrörs solle durchfallen. Ähnliches wird in CDU-kreisen von Heiko Strohmann kolportiert, dem anderen Vertrauten des Landesvorsitzenden Thomas Röwekamp.
"Die derzeitige Situation ist teilweise auf die Tätigkeit bzw. Nichttätigkeit des Landesvorsitzenden zurückzuführen", erklärte Jens Eckhoff gegenüber den Weser Report die Lage der Partei. Eckhoff ist inzwischen Vorsitzender des Stadtbezirks Mitte/Östliche Vorstadt, er wurde dort mit 100 Prozent der Stimmen der Mitglieder als Kandidat vorgeschlagen, niemand fiel dort durch. Dass der engere CDU-Vorstand sich auf das Argument zurückzieht, die Kandidatenvorschläge seien Sache der Basis, lässt Eckhoff nicht gelten: "Es gibt bei den Aufstellungen in den Stadtbezirksverbänden immer eine politische Verantwortung des Landesvorsitzenden und seiner Stellvertreter", erklärte er gegenüber der taz.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Netzgebühren für Unternehmen
Habeck will Stromkosten senken