piwik no script img

PARALLELEN

■ „Rotes Kornfeld“ im Sputnik Wedding

Es fällt schwer, dem chinesischen Film „Rotes Kornfeld“, Gewinner des Goldenen Bären 1988, nach dem vergangenen Wochenende gerecht zu werden: Die Wirklichkeit der letzten Tage auf den Straßen Pekings hat ihm eine neue Dimension verliehen. Zwischen die Bilder auf der Leinwand mischen sich automatisch die Schreckensbilder aus den Fernsehnachrichten und die Erinnerung an die Korrespondentenberichte aus den Zeitungen. Nicht nur, weil der Film aus China kommt - das auch: Das Aussehen, die Bekleidung, die Sprache verweisen auf das Ursprungsland -, sondern auch wegen seines Themas. Menschen erkämpfen sich trotz der widrigsten Umstände ein kurzes Glück, das sie in ihren Liedern feiern; doch sie werden überrollt vom Krieg und der Militärmaschine (der japanischen - der Film spielt hier im Zweiten Weltkrieg). Die Parallelen, so unstatthaft sie sein mögen, drängen sich auf und sind nicht aus dem Kopf zu verbannen.

Die eigentlichen Hauptdarsteller des Filmes sind im Titel „Rotes Kornfeld“ ausgegeben: Die Farbe Rot ist die des Brautkleides, in das Jiuer am Anfang gesteckt wird, und die der Sänfte, mit der sie ihrem leprösen Bräutigam, dem sie für einen Esel verkauft wurde, entgegengetragen wird. Rot ist aber auch das Kornfeld: der Ort, an dem die Wendungen der Handlung stattfinden. Dort verlieben sich Jiuer und Yu, einer ihrer Sänftenträger, mit wenigen Blicken durch den beiseitegeschobenen Vorhang der Sänfte, mit einer fast unscheinbaren Geste, wenn Yu ihren Fuß umfaßt, um ihn wieder hinter den Vorhang zu schieben, durch Andeutungen, die kaum wahrnehmbar sind und um so intensiver wirken.

Wie das Feld der Ort der Liebe und des Schreckens zugleich ist, ist das Rot ebenso ein Zeichen für das Leben und den Tod. Zwischen diesen Extremen in der Farbe und in dem Ort zieht der Film immer engere Kreise, bis diese Bewegung zu einem Sog wird, in dessen Mitte, am Ende des Films nach dem ohnmächtigen Kampf gegen die Besatzer, das rote Kornfeld, das Blut und das Glühen der Sonne zusammenschmelzen zu einer Tortur für das Auge. In dieses alles beherrschende Rot ist das zerstörte Feld getaucht, in dem nur noch zwei Menschen als die letzten, halb irren Überlebenden inmitten von ausgebrannten Autos, aufgerissenen Kratern und Leichen zu sehen sind.

-Höttges

„Rotes Kornfeld“ (VR China, 1988) heute um 19 und 20.30 Uhr im Sputnik Wedding. Eintritt 10 Mark, wovon 5 Mark über die „Vereinigung chinesischer Studenten und Wissenschaftler in Berlin“ an die Opposition in Peking gehen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen