: P O R T R A I T Nobelpreis für James M. Buchanan
■ Der US–Wirtschaftswissenschaftler steht für die Prinzipien des individuellen Eigenutzes / Wenn es nach ihm ginge, müßten die Grünen sich auflösen
Von Rudi Hickel
Berlin (taz) - Die Wetten auf den diesjährigen Preisträger in Sachen Wirtschaftswissenschaft sind für die meisten schiefgegangen. Die Wahl traf James M. Buchanan, dessen Erkenntnisse schon seit vielen Jahren jedes Lehrbuch der Finanzwissenschaft zieren. Die Ehrung kommt spät, aber den Theoretikern und Politikern der „Entstaatlichung“ zur Freisetzung der kapitalistischen Marktkräfte sehr gelegen. Als die Finanzpolitik im Dienste von Wirtschaftswachstum und Vollbeschäftigung in den 50er Jahren ihren Siegeszug antrat, da entwickelte Buchanan - zusammen mit seinem Ko–Autor Gordon Tullock - eine weitreichende Theorie öffentlicher Entscheidungen (“Public Choice“). Der Staat, seine ihn absichernde Verfassung, aber auch große Verbände bzw. Gruppen müssen - so die Botschaft - aus den Prinzipien des individuellen Eigennutzes erklärt und deshalb reorganisiert werden. Demokratische Institutionen stehen nach dieser Rezeptur in der Gefahr, auf Spielregeln des Wirtschaftens reduziert zu werden. Politisch ist, was wirtschaftlich nützt. Der Staat regrediert zu einem Club, der nur dann akzeptiert wird, wenn er dem einzelnen ökonomische Vorteile bringt. Politische Bewegungen haben hier keine Chance der Rechtfertigung. Seine „Theorie des Clubs“ ließe etwa die Organisierung der grün–alternativen Bewegung als irrational erscheinen, weil - in seiner Sprache - die „Informations– und Konsensbildungskosten“ viel zu hoch und die ökologischen Ziele zu abstrakt sind. Freilich, als Berater der Bundesregierung wäre Buchanan ein Gewinn: Sein langjähriges Wirken galt und gilt einer staatlichen Deregulierung, d.h. der Demontage kollektiver Schutzrechte zur Sicherung individueller Lebenschancen.Diese Nobelpreisvergabe hat wenigstens einen Vorteil. Halten sich die Preisrichter an ihre Vergabe–Regel, orthodoxe und kritische Vertreter abwechselnd zu berücksichtigen, dann müßte der nächste Nobelpreis an Richard A. Musgrave gehen. Denn sein wissenschaftliches Werk, gegen das sich Buchanan richtet, gilt der Entwicklung einer modernen Gestaltung ökonomischer und politischer Aufgaben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen