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P O R T R A I T Musterknabe, Superschüler

■ Bei seinem dritten Versuch, einen Richter für den Obersten Gerichtshof der USA zu finden, ging Reagan auf Nummer Sicher / Nur noch vereinzelter Widerstand

Aus Washington Stefan Schaaf

Beim dritten Versuch traf Reagan ins Schwarze. Mit dem 51jährigen Richter Anthony Kennedy hat der US–Präsident nun einen Kandidaten für den verwaisten neunten Sitzt im Obersten Gerichtshof nominiert, dessen Ernennung im Justizausschuß des Senats auf weniger Widerstand stoßen dürfte als die des ersten Reagan–Vorschlags Robert Bork, der wegen seiner extrem konservativen Verfassungsphilosophie nach mehrwöchiger heftiger Debatte von der demokratischen Mehrheit im Justizausschuß abgelehnt worden war. Kennedy ist zwar auch ein Konservativer, doch bei weitem kein kämpferischer Ultra, der Grundsatzurteile des Supreme Court gleich reihenweise über Bord werfen würde. Als Kind war Kennedy ein Musterknabe, an der Universität galt er als Superstudent, und als Anwalt und Lobbyist war er ein penibler und korrekter Fleißarbeiter. Politisch blieb er eher farblos. In den mehr als vierhundert Urteilen, die er seit 1975 am Bundesberufungsgericht in Sacramento/Kalifornien gefällt hat, setzte Kennedy sich mehrmals für eine breite Auslegung des Rechts auf Meinungs– und Pressefreiheit ein. Viele Urteile Kennedys sind aber von liberaler Seite kritisiert worden. Wiederholt sprach er sich gegen bestimmte Rechte für Frauen aus; so hielt er es etwa für legitim, daß Frauen für gleiche Arbeit weniger Lohn erhalten, oder befand, daß es keine Diskriminierung darstelle, wenn Fluglinien von Stewardessen eine schlanke Figur verlangen. Die „National Organisation for Women“ (NOW) hat sich deshalb gegen Kennedys Berufung ausgesprochen, im Gegensatz zum breiten Graswurzel–Bündnis gegen Robert Bork steht NOW gegen Kennedy jedoch recht alleine da. Im Vergleich zu Robert Bork, mit dem Ronald Reagan dem Supreme Court eine konservative Mehrheit bis ins nächste Jahrtausend aufdrücken wollte, ist Kennedy auf jeden Fall das kleinere Übel. Ohne die erfolgreiche Kampagne gegen Bork - und ohne die hochnotpeinliche Kiffervergangenheit des zweiten Kandidaten Ginsburg - wäre Reagans Traum von der ideologischen Rechtswende im Obersten Gericht am Ende in Erfüllung gegangen.

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