: P O R T R A I T Eine Renommierfrau
■ Leonilde Iotti, altgedientes kommunistisches Parteimitglied, läßt sich nicht verplanen
Rom (taz) - „Sie hängt mir schon zum Hals heraus, die Frage, aber wenn Sies wissen wollen: Es hat mir mehr geschadet als genützt“: Eine der wenigen Möglichkeiten, Leonilde (Nilde) Iotti zu einer emotionalen Äußerung zu veranlassen, ist die Frage, ob ihr die „sentimentale Bindung“ an den legendären PCI–Chef Palmiro Togliatti (1893–1964) in ihrer „Karriere“ geholfen hat. Tatsächlich hat die heute 63jährige promovierte Juristen und Literaturwissenschaftlerin auf politischem Feld allenthalben die „Ochsentour“ hinter sich. Seit 1946 sitzt sie ununterbrochen im Parlament, 1956 kam sie ins Zentralkomitee, 1961 wurde sie Frauensprecherin der Partei, 1972 Vizepräsidentin, 1979 Präsidentin des Abgeordnetenhauses - das höchste Amt, das je eine Frau in Italien erhielt. Da profilierte sie sich, indem sie die Arbeit der sonst eher trägen Volksvertreter straff reorganisierte, die Parlamentsfra Ausland versuchte sie, die jeweilige Landessprache zu erlernen, um dann „mit den Leuten, den wirklichen, nicht den Politikern, direkt zu sprechen“. Eine „Renommierfrau“ - sowohl des PCI wie der italienischen Politik? Wahr ist: Weder in der Partei noch im Parlament sind die Frauen an hervorragender Stelle vertreten; und die von Nilde Iotti eingenommenen Posten waren stets eher repräsentativ, ihr politisches „Profil“ ist daher auch nicht sonderlich kar. Dennoch könnten sich die Schlaumeier aus christdemokratischer und sozialistischer Partei täuschen, die dem Staatspräsidenten Cossiga ausgerechnet Frau Iotti für die Sondierungsgespräche anempfohlen haben. Bereits ihr erster Schritt verwirrte die Parteistrategen: Statt wie üblich die Parteien der Größenordnung nach zu empfangen, holte sie sich zuerst den Obertaktierer Craxi (dessen PSI erst an dritter Stelle käme) und ließ ihn seine Bedingungen für den Eintritt in eine neue Regierung aufschreiben; plötzlich hat er nicht, wie gewohnt, das letzte Wort. Dann, als alle anderen schon im Startloch saßen, nahm sie sich den Sonntag frei: Signale, daß sie die Sache nicht nur als Alibiveranstaltung ansieht, sondern in aller Ruhe vertiefen will. Werner Raith
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen