: P O R T R A I T Ein Sozialliberaler
■ Porträt Gerold von Braunmühls von Karsten Voigt
Karsten Voigt, außenpolitischer Sprecher der SPD–Bundestagsfraktion, beschreibt den ermordeten Diplomaten Gerold von Braunmühl als einen, der für die Aussöhnung mit den Völkern und Staaten Osteuropas auch nach der Wende eintrat. Gerold von Braunmühl war kein kalter Krieger. Er verteidigte auch nach der Wende in Bonn weiterhin das Ziel einer Aussöhnung mit den Völkern und Staaten Osteuropas. Er gehörte zu denjenigen, die gegenhielten, als Bundeskanzler Kohl aus Opportunismus gegenüber den Vertriebenen–Verbänden die deutsch–polnische Aussöhnung gefährdete.Gerold von Braunmühl verkörperte die positiven Traditionen des diplomatischen Dienstes: Zurückhaltung gegenüber der Presse und Offenheit und Ideenreichtum bei seinen Ratschlägen an die politische Führung im Auswärtigen Amt und im Bundestag. Er widersprach, wenn andere den Ost–West–Konflikt auf die Dritte Welt übertragen wollten. Er war kein Befürworter eines hemmungslosen deutschen Rüstungsexports. In seiner Skepsis gegenüber dem amerikanischen SDI–Konzept stimmte er weithin mehr mit der Opposition im Bundestag als mit dem rechten Flügel der Regierungspartei überein. Ich kannte Gerold von Braunmühl seit über einem Jahrzehnt, seit seiner Zeit als relativ junger Beamter in Bonn und Moskau. Er stimmte in vielen Punkten nicht mit der Friedensbewegung überein. Aber er verteufelte sie nie. In dem Engagement für Frieden und Verständigung hätten ihn auch die Anhänger der Friedensbewegung nicht übertreffen können.Ich habe mit Gerold von Braunmühl häufiger über die Zukunft unseres in Ost und West gespaltenen Kontinents gesprochen. Er litt unter dieser Teilung. Für ihn war sie kein Dauerzustand. Aber im Gegensatz zum gegenwärtigen Bundeskanzler überwand er die Spaltung nicht rhetorisch, sondern konzeptionell. Wenn er im kleinen Kreise über die nächsten Schritte zur gesamteuropäischen Zusammenarbeit, der Vertrauensbildung und Abrüstung sprach, überzeugte er durch die Schärfe der Analyse und die Klarheit seiner Perspektiven. Ich kannte die Gefühlswelt Gerold von Braunmühls nicht. Aber sein Bemühen um intellektuelle Redlichkeit berührte mich auch emotional.Natürlich hatte er als Leiter der politischen Abteilung im Auswärtigen Amt auch mit NATO–Fragen zu tun. Auch wer in der Politik langfristig auf eine europäische Friedensordnung abzielt, muß heute noch immer, wie früher auch Willy Brandt und Egon Bahr, von der Existenz der bestehenden Bündnisse ausgehen. Gerold von Braunmühl entwickelte Konzepte zur reformerischen Verbesserung des Bestehenden. Seine Vorschläge mögen nicht immer weit genug gegangen sein. Aber seine Vorschläge führten von Krieg und Haß fort. Die Terroristen dagegen produzieren die Gewalt und den Haß, die sie zu bekämpfen vorgeben.
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