: P O R T R A I T Ein Mann für gewisse Stunden
■ Zine el Abdine Ben Ali, der den senilen tunesischen Alleinherrscher auf Lebenszeit, Habib Bourguiba, entthronte, ist kein unbeschriebenes Blatt am Hofe Bourguibas
Berlin (taz) - Zine el Abdine Ben Ali macht nicht viel Lärm. Er ist kein großer Redner, scheut das Rampenlicht - er ist der Mann im Hintergrund. Als solcher stand er dem Hofstaat Bourguibas schon lange zur Verfügung. Er sei bekannt für seine „Kompetenz, Gradlinigkeit, Standhaftigkeit und Hingabe für Bourguiba...“, bescheinigt ihm die offizielle Biographie. Auch wenn letzteres nun bezweifelt werden kann, standhaft zumindest hat er bisher alle Wechsel und Schwankungen am Hofe Bourguibas ausgehalten. Auf den 51jährigen Ben Ali, geboren in Hamman–Sousse, 135 Kilometer von der Hauptstadt entfernt, aber nur 37 Kilometer von der Geburtsstadt Bourguibas - ein kleines, aber nicht unbedeutendes Detail bei der Verteilung der Pfründe unter den Clans -, warf man schon früh ein Auge. Mit 25 Jahren wurde er von der tunesischen Regierung auf Militärschulen in Frankreich geschickt. Danach ging er in die Vereinigten Staaten, wo er eine Ausbildung beim militärischen Nachrichtendienst, dem Sicherheitsdienst und bei der Artillerie anschloß. Er bekam glänzende Noten von den Amerikanern. So brillant, daß er bei seiner Rückkehr nach Tunesien, er war gerade 27 Jahre alt, zum Leiter der Abteilung für militärische Sicherheit ernannt wurde. Standhaft bekleidete er diesen Posten 16 Jahre lang, während sich die ihm übergeordneten Verteidigungsminister insgesamt viermal veränderten. Am 12. Januar 1974 kam es zu einer Wende in seinem Leben. Ohne Benachrichtigung wurde er zum Chef des 2. Büros der Totgeburt „Islamisch–Arabische Republik“ ernannt. Nach dem Scheitern dieser libysch–tunesischen Union führte Bourguiba - wie immer, wenn er sich falsch beraten oder verraten fühlte - eine Reihe von Säuberungen durch. Der Oberstleutnant Ben Ali wurde als Militärattache an die tunesische Botschaft in Marokko versetzt. Die Ungnade hielt bis 1977 an, das Jahr, in dem die libysch–tunesischen Spannungen um Grenzprobleme und die Streitigkeiten um die ölreiche Bucht von Gabes ihren Höhepunkt erreichten. Ben Ali war nun wieder gefragt. Sein „Exil“ war beendet, ein kometenhafter Aufstieg begann. Innerhalb von vier Monaten brachte er es vom Mitglied des Verteidigungskabinetts zum Chef der Inneren Sicherheit. Er tauschte die Uniform gegen Anzug und Krawatte aus. Nur 1979, als er zum General dekoriert wurde, soll er sich noch einmal in Uniform geworfen haben. Es wird ihm nachgesagt, er sei mehr der technokratische Bürokratentyp als ein Militär. Daß ihm die Anwendung militärischer Mittel allerdings nicht fremd ist, stellte er bei der blutigen Niederschlagung der Arbeiteraufstände im Januar 1978 unter Beweis. Das harte Durchgreifen der Armee und Milizen der regierenden Destourpartei forderte mehrere hundert Tote und unzählige Verletzte. Die Streiks, angeführt von der Gewerkschaft UGTT, führte zu einer politischen Krise zwischen der Destourpartei und der Gewerkschaft. Zwei Jahre später greift ein tunesisches Kommando, bewaffnet von Libyen, die Oasenstadt Gafsa an. Ben Ali, verantwortlich für die Innere Sicherheit, gerät wieder ins Intrigen– - umsichtig und durchsetzungsfähig - wieder zu schätzen. Seither scheint sein Stern nicht mehr zu sinken. In drei Jahren stieg er um die Hürden vom Staatssekretär zum Innenminister auf (Mai 1987). Die Stunde der Gefahr, diesmal die Anschläge der Moslen–Fundamentalisten, ließ ihn schließlich den Gipfel der Macht erklimmen: Am 2. Oktober 1987 wurde er neben seinem Amt als Innenminister zusätzlich zum Premierminister und Bourguibas Nachfolger ernannt. Die Krone hat er sich nun selbst aufgesetzt. Seine Machtübernahme ist begleitet von der Hoffnung auf eine längst fällige Öffnung; nicht weil Ben Ali Reformen und konstitutionelle Veränderungen ankündigt, sondern vielmehr aufgrund der offensichtlichen Notwendigkeit, verkrustete Strukturen aufzubrechen und die sozialen Bewegungen zu berücksichtigen. Der pro–westliche, technokratische Ben Ali ist und war ein Mann für gewisse Stunden. Er könnte der Garant dafür sein, daß das westlichste der arabischen Länder dies auch bleibt. Edith Kresta
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