: Ovationen für Enver Hoxha
■ Auf dem Parteitag der albanischen Kommunisten fiel die Abrechnung mit Hoxha halbherzig aus
Tirana (afp/taz) — Heute begann in Tirana der möglicherweise letzte Parteitag der albanischen Kommunisten — zumindest unter ihrem alten Namen. Die 400 Delegierten sollen, so schon im Vorfeld des Kongresses das ZK-Organ 'Zeri i popullit‘, der Partei „eine neue sozialistische Richtung weisen“. Die albanischen Genossen werden also künftig „Sozialisten“ heißen. Vom Geist der Erneuerung war allerdings im Rechenschaftsbericht des ZK-Sekretärs Xhelil Gjoni wenig zu spüren. Zwar war die Rede vom Personenkult um den kommunistischen Staatsgründer und von schweren Fehlern während der über 40jährigen Herrschaft der Kommunisten. Der mit „exzessiver Machtfülle“ ausgestattete Parteiführer habe in der Zeit von der Machtübernahme 1945 bis zu seinem Tod 1985 jegliche Opposition innerhalb und außerhalb der Partei unterdrückt. Außerdem sei das Land von ihm international isoliert worden, was zur katastrophalen gegenwärtigen Lage der albanischen Wirtschaft beigetragen habe. Andererseits aber hätten die Albaner Hoxha „unzweifelhaft Errungenschaften zu verdanken“. Unter donnerndem Beifall der Delegierten stellte Gjoni fest: „Enver Hoxha zu verteidigen ist die Pflicht der Partei, und Enver ist Teil des Erbes der Partei wie auch des Volkes.“ Die Delegierten erhoben sich daraufhin von ihren Plätzen und skandierten jubelnd die alten Slogans „Enver — Partei“, „Immer bereit“.
Gjoni kritisierte anschließend den Staatspräsidenten Ramiz Alia, der bis Mai auch Parteivorsitzender war. Alia habe den Reformprozeß zu spät eingeleitet, da er sich gegenüber einer „alternden und unfähigen“ Elite, die nicht auf ihre Privilegien verzichten wolle, zu nachgiebig gezeigt habe. Der ZK-Sekretär bereitete schließlich die Säuberung an der Spitze mit Angriffen auf mehrere führende Kader vor, unter ihnen der ehemalige Ministerpräsident Adil Carcani und die ehemaligen Innenminister Simon Stefani und Hekruan Hisai. Gjoni kritisierte zudem, daß seit dem ersten Parteikongreß im Jahr 1948 die Amtszeit der Mitglieder im ZK durchschnittlich 14 Jahre und im Politbüro 17 Jahre betrug.
Auf dem Parteitag soll nach Angaben des Ersten Sekretärs, Halil Lalaj, nicht nur der diskriminierte Parteiname verschwinden, sondern auch 95 Prozent des Führungspersonals von ihren Posten — einschließlich der berüchtigten Witwe Hoxhas, Nexhmije. Das albanische Volk soll um Verzeihung für die Irrtümer der Partei gebeten werden.
Die Delegierten standen sichtlich unter dem Schock des soeben beendeten Generalstreiks, dem in der vergangenen Woche Fatos Nano, immerhin ein Reformer, nach einer Amtszeit von nur wenigen Wochen zum Opfer gefallen war. Die streikenden Arbeiter und ihr unabhängiger Gewerkschaftsbund haben seinen Nachfolger Yili Bufi mit einem 17-Punkte-Katalog konfrontiert, der konkrete Forderungen Richtung Demokratisierung und Besserung der wirtschaftlichen Lage enthält. Der Parteitag der albanischen Kommunisten steht unter dem Druck seiner „Klassenbasis“. Roland Hofwiler/C.S.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen