Outing eines schwulen Profi-Fußballers: "Verdammt, wo sind alle anderen?"
Anton Hysén bekennt sich in Schweden als erster Fußballprofi zu seiner Homosexualität. Von den Medien wird er gelobt, von den Zuschauerrängen angefeindet.
STOCKHOLM taz | Ein Hagel von homophoben Kommentaren zwang die Redaktion von www.fotbollskanalen.se, am Mittwochnachmittag die Kommentarfunktion dieser Fußballwebsite abzustellen. Wenige Stunden vorher hatte sich eine Nachricht verbreitet, die den Onlineauftritten der meisten schwedischen Zeitungen eine Spitzenplatzierung wert war: "Sveriges första fotbollsbög."
Schwedens erster Fußballpromi hatte sich als schwul geoutet. In einem Interview mit der Fußballzeitschrift Offside hatte Anton Hysén, Spieler beim Göteborger Zweitdivisionsklub Utsiktens BK als erster von 600 männlichen schwedischen Berufsfußballern diesen "willkommenen und mutigen Schritt" (Göteborgs-Posten) getan.
"Ein Pionier, der großen Respekt für seinen Mut verdient", kommentiert die Malmöer Tageszeitung Sydsvenska Dagbladet den Schritt des früheren Juniorennationalspielers. Und so ähnlich lauteten am Donnerstag die Kommentare fast aller schwedischen Medien.
Wobei meist auch nicht vergessen wird, darauf hinzuweisen, dass die Frauen hier schon weiter sind als die Männer. Nationalspielerin Victoria Svensson geht seit Jahren offen mit ihrer Homosexualität um und pflegt auch bei der jährlichen Stockholm-Pride präsent zu sein. Und steht im Frauenfußball damit nicht allein.
Apropos Pride. Glenn Hysén, Vater von Anton Hysén und als einer der international erfolgreichsten schwedischen Fußballprofis der 1980er Jahre eine Art "Nationalheld", hatte beim Stockholmer Pridefestival 2007 einen Auftritt, der nachträglich in einem neuen Licht erscheint. Glenn Hysén war damals von den VeranstalterInnen zu einer Rede eingeladen worden. Ein Auftritt der in der Schwulenszene von vielen als Provokation empfunden worden war, hatte Hysén doch einige Jahre zuvor von vielen als schwulenfeindlich bewertete Äußerungen gemacht.
"Wir behaupten, dass der Sport gut für junge Leute ist", erklärte Hysén nun auf der Pride: "Angeblich für alle Jugendlichen. Aber wie leicht ist es eigentlich für einen 16-jährigen Fußballer, sich vor seinen Mannschaftskameraden als schwul zu erkennen zu geben?" Und er fuhr fort: "Manchmal erzieht der Sport Menschen zu Teamplayern. Manchmal aber offenbar auch zu ängstlichen Herdentieren mit Schwulenphobie."
Familiäre Sicherheit
Was damals kaum jemand wusste: Er sprach von seinem eigenen Sohn, von dem er einige Monate vorher erfahren hatte, dass er schwul war. Und der das wiederum vier weitere Jahre später als 20-jähriger dann auch öffentlich machte. Durchaus bezeichnend finden es viele Kommentare, dass "ein Hysén" - Glenn Hysén ist nach seiner aktiven Zeit jetzt als Trainer tätig, zwei Brüder Antons spielen in schwedischen Erst- und Zweitligavereinen - es "gewagt" habe, diesen Schritt zu machen: Dieser familiäre Zusammenhang gebe eine Sicherheit, von der andere schwule Fußballer nur träumen könnten.
"Tobbe und ich werden wohl einiges von den Zuschauerrängen zu hören bekommen", glaubt Glenn Hysén, der betonte, wie "verdammt stolz" er auf seinen Sohn Anton sei. Er hoffe, dass andere diesen Schritt nun wagen könnten, denn "ich glaube, auch im Fußball sind wir mittlerweile so weit". Im Offside-Interview fragte auch Anton Hysén: "Verdammt nochmal, wo sind alle anderen?"
Einerseits gibt er damit seiner Erwartung Ausdruck, mehrere könnten seinem Beispiel folgen, andererseits hegt er auch keine Illusionen: "Es gibt nun mal Leute, die mit Homosexuellen nicht klarkommen. Wie es Rassisten gibt, die mit Ausländern nicht können. Womöglich gibt es Vereine, die an mir interessiert gewesen wären, aber für die das nun anders aussieht."
Petra Elisson, Verfasserin eines "Regenbogenratgebers" für Firmenchefs, sieht eine große Chance für die Vereine, nun Homosexualität auf die Tagesordnung zu setzen: Anton Hysén könnte ein ähnlich "fantastisches Vorbild" für manchen Jungen werden, wie es Victoria Svensson für viele Mädchen geworden sei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Analyse der US-Wahl
Illiberalismus zeigt sein autoritäres Gesicht
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos