: „Otto, laß die Schale hier“
Nach dem 4:0 gegen den 1. FC Kaiserslautern scheint für die Münchner Bayern zumindest eines klar: Otto Rehhagel wird sie diese Saison wohl kaum ärgern ■ Aus München Benedikt Voigt
In den vier Monaten, die Ottmar Hitzfeld als Trainer in München weilt, hat er festgestellt, wer das Problem des FC Bayern in der vergangenen Spielzeit war. „Der 1.FC Kaiserslautern, der hat, das hört man immer wieder, die Bayern maßlos geärgert“, sagte Hitzfeld, „nicht nur die Spieler, sondern auch die Führungsetage.“ Als ob es sich nun zu revanchieren galt, mußte Bayern-Pressesprecher Markus Hörwick die Ausführun- gen von Kaiserslauterns Trainer Otto Rehhagel auf der Pressekon- ferenz nach dem Bundesligaspiel der beiden Teams am Samstag mit einem Kommentar versehen. Reh- hagel hatte die Niederlage mit den vielen Verletzten entschuldigt, wo- raufhin der Moderator Hörwick meinte: „Auch Ottmar Hitzfeld hat Verletzungssorgen, aber seine Mannschaft gewinnt 4:0.“
Otto Rehhagel nahm den unerwarteten Seitenhieb mit Gleichmut hin. Überhaupt blieb der Kaiserslauterner Trainer an der Stätte, an der im vergangenen Jahr sein Siegeszug zum Meistertitel mit einem 1:0-Erfolg begonnen hatte, sehr gelassen. Zwei Minuten vor dem Schlußpfiff sprang Otto Rehhagel erstmals von seinem Sitz auf, um Marco Reich zu trösten. Da stand es längst 4:0, und der Trainer hatte längst erkennen müssen, daß sein Team diesmal gegen den FC Bayern „keine Chance“ hatte. Besonders offensichtlich trat dies im Duell des bereits als künftigem Nationalspieler gehandelten Marco Reich mit dem Weltmeister Bi- xente Lizarazu zutage. „Von dem Kleinen da“, wie Rehhagel sagte, wurde Marco Reich die gesamte Spielzeit über problemlos kontrolliert. „Er ist noch jung“, befand Rehhagel später, „es ist gut, daß er das einmal erlebt hat.“
Das Unglück kam über Otto ausgerechnet in Gestalt von Mario Basler. Erst hatte der Münchner seinen alten Trainer mit einer herzlichen Umarmung begrüßt, dann brachte Basler den deutschen Meister durch einen gefühlvollen Lupfer in Rückstand (10.). Noch am Donnerstag hatte der Mittelfeldspieler zum wiederholten Male verkündet, daß er seine Karriere in Kaiserslautern ausklingen lassen wolle. „Unter Otto, das wär' mir das Allerliebste“. Andererseits kokettiert Basler auch mit dem FC Bayern, wo er seinen in eineinhalb Jahren auslaufenden Vertrag frühzeitig verlängern möchte. Nach dem Spiel vom Samstag sollte sich Basler ohnehin überlegen, ob er nach Kaiserslautern will, zu einem Verein, dessen erfolgreichste Zeit bereits wieder passé zu sein scheint.
Gegen die Bayern verzeichnete der FCK lediglich einen Kopfball an den Pfosten von Rische (70.) sowie einen Torschußversuch von Rösler (43.), den Oliver Kahn problemlos meisterte. „Ich freue mich für den Olli, daß wir endlich einmal zu Hause zu null spielten“, sagte Hitzfeld. Während der fitgespritzte Stefan Effenberg seinen großen Auftritt erst später bei Sat.1 hatte, als er sich erstmals zu seiner Trunkenheitsfahrt äußerte, zeigten seine Kameraden bereits auf dem Spielfeld Leistung. Allen voran Manndecker Sammy Kuffour und Libero Jens Jeremies, die wie schon gegen den FC Barcelona die Verletzten Thomas Helmer und Lothar Matthäus vorzüglich vertraten. Jeremies interpretierte seine Rolle so beeindruckend, daß Hitzfeld und Matthäus künftig vor Schwierigkeiten stehen könnten. „Ein angenehmes Problem“, findet der Trainer, „ich bin froh, daß wir 20 hervorragende Spieler haben“. Matthäus trainiert zwar bereits wieder mit, doch Hitzfeld begründete das Fehlen des 37jährigen gegen Kaiserslautern mit „muskulären Problemen.“
Ein Problem haben längst auch die übrigen 17 Bundesligisten mit dem FC Bayern. Acht Siege und ein Unentschieden bedeuten einen neuen Startrekord, und Hitzfeld muß sich bereits den Fragen nach einem Durchmarsch stellen. „Wir haben erst neun Spiele bestritten“, wiegelte der Trainer ab, „und sechs oder sieben Punkte sind bei der Drei-Punkte-Regelung gar nichts“. Die Bayern-Fans verabschiedeten den Kaisers-lauterner Trainer jedenfalls bereits mit der Hymne: „Otto, laß die Schale hier“. Das wäre am Samstag noch zu früh gewesen. Doch wenn die Bayern ihre souveräne Gangart durchhalten, dann muß Otto Rehhagel die Meistertrophäe vielleicht schon zum Rückspiel mitbringen.
1. FC Kaiserslautern: Reinke – Ramzy – Samir, Koch (46. Hrutka) – Reich, Riedl, Ballack, Sforza, Roos (73. Schäfer) – Rösler (46. Rische), Hristow
Zuschauer: 63.000; Tore: 1:0 Basler (10.), 2:0 Daei (45.), 3:0 Elber (52.), 4:0 Elber (56.)
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