piwik no script img

Otelo im Abseits

■ Kaum Echo in Portugal auf die hohe Haftstrafe gegen den Revolutionsführer / Öffentlichkeit drückt sich vor Kommentar

Aus Porto Alexander Decker

Das Echo, das die Verurteilung Otelo de Carvalhos und seiner 47 Mitangeklagten im FP–25–Prozeß in der portugiesischen Öffentlichkeit findet, ist gering. Das Europacup–Spiel FP–Porto - Bayern München oder auch der anlaufende Wahlkampf für die Parlamentswahlen am 19. Juli wecken weit mehr Interesse. Die im Parlament vertretenen Parteien haben sich bisher - von rechts bis links - überhaupt nicht geäußert. Und Staatspräsident Soares, der sich gerade in den USA aufhält, sprach davon, daß es zwei Otelos gäbe, denjenigen, der den 25. April - die Nelkenrevolution - organisiert hätte und den anderen, der später Straftaten begangen habe. Von den kleineren linken Organisationen, die nicht im Parlament vertreten sind, gibt es - bis auf eine Ausnahme - bisher keine Kommentare. Und auch die beiden großen Gewerkschaftsverbände hüllen sich in Schweigen. Nur die UDP, eine Linkspartei mit zwei Prozent, deren Schwerpunkt in den Arbeitervorstädten Lissabons liegt, hat die Verurteilung als Einschüchterungsversuch der Rechten gegen die „Leute vom 25. April“ bezeichnet. In den linken und linksliberalen Tages– und Wochenzeitungen findet man nur eine ausführliche und meist kritisch–distanzierte Berichterstattung über die Urteile. Der wöchentlich erscheinende Espresso beispielsweise schreibt ausführlich über Urteilsbegründung, juristische Detailprobleme und Chancen und Risiken einer Revision, attackiert aber in einem knappen Kommentar Otelo als Verantwortlichen für eine Organisation - die FP 25 -, die Menschen ohne Gerichtsverfahren zum Tode verurteilt habe. Die linke Wochenzeitung O Jornal hebt nicht nur auf Otelo, sondern auf die zu hohen Freiheitsstrafen der Mitangeklagten ab und diskutiert die Möglichkeiten eines Straferlasses oder einer Strafminderung durch eine Amnestie. Grund für die fehlenden Reaktionen auf das Urteil mag einerseits die Dauer der Inhaftierung sein: Otelo wurde vor drei Jahren verhaftet, der Prozeß lief seit 18 Monaten. Zweitens die politische Isolation der FP–25, sowohl was ihre Ideologie als auch die Praxis der Attentate betrifft. Kaum jemand rechnete zudem mit den jetzt gefällten harten Urteilen. Einzig Zelia Afonso, die Witwe des portugiesischen Sängers und Dichters Jose Alfonso, hat im spanischen Santiago de Compostela die Verurteilung Otelos als einen „politischen, moralischen und juristischen Skanadal“ bezeichnet. Auf einer Veranstaltung zu Ehren ihres Mannes erklärte sie, „der Kampf in Portugal“ sei „noch nicht beendet“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen