Ostseepipeline wackelt: Landweg für russisches Gas gesucht
Umweltrisiken der geplanten Ostseepipeline beschäftigen nun Brüssel - weil Balten, Schweden und Polen darauf gedrängt haben.
STOCKHOLM taz Die Umweltrisiken durch die geplante Ostseepipeline zwischen Russland und Deutschland stehen nun auch auf der Brüsseler Tagesordnung. Die EU-Kommission hat für den 6. März eine Sondersitzung einberufen.
Darauf gedrängt hatte eine Initiative mit dem ehemaligen Umweltminister Estlands und jetzigen Europaabgeordneten Andres Tarand an der Spitze. Ihr Ziel ist, dass die EU eine Studie über die Kosten und Umweltkonsequenzen einer alternativ über Land geführten Gaspipeline finanziert. Eine entsprechende Resolution konnte mittlerweile mehrere zehntausend Unterschriften sammeln.
Die russische Gazprom, deren Tochter Nordstream die Ostseepipeline bauen will, weigert sich bislang erfolgreich, sich überhaupt mit Lösungsmöglichkeiten jenseits der Unterwasserstrecke zu befassen.
Das umstrittene Projekt wackelt nun immer mehr. In der vergangenen Woche hatte die schwedische Regierung den Nordstream-Bauantrag für die Ostseeroute als "ungenügend" zurückgewiesen. Im Antrag fehlten Angaben, die für eine Prüfung der Umweltkonsequenzen notwendig seien, wie sie Stockholm vornehmen will. Speziell enthalte er keinerlei Prüfung alternativer Streckenführungen durch das Wasser oder besser noch über Land.
"Ich wundere mich über einen so unvollständigen Antrag", hatte Schwedens Umweltminister Andreas Carlgren erklärt: "Er ist so unzureichend, dass wir ihn erst gar nicht an die zuständigen Behörden weitergeleitet haben, sondern gleich postwendend zurückschicken."
Den Antrag für den Bau der 1.200 Kilometer langen Pipeline hatte Nordstream im Dezember bei der Regierung in Stockholm eingereicht. Die Streckenführung ist auf einer Länge von 500 Kilometern durch die schwedische Wirtschaftszone in der Ostsee geplant. Verweigert Schweden die Bauerlaubnis, könnte es das Projekt damit insgesamt blockieren. Laut internationalem Recht hätte es diese Möglichkeit: materiell wegen der Gefahr erheblicher Umwelteinwirkungen und formal im Rahmen einer Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß der so genannten Espoo-Konvention, die die Beteiligung betroffener Staaten und der Bevölkerung bei grenzüberschreitenden Vorhaben regelt.
Eine alternative Strecke durch die Ostsee wäre theoretisch nur durch die sich östlich anschließenden Wirtschaftszonen der baltischen Staaten und Polens möglich, würde dort aber auf noch größeren Widerstand treffen.
Umweltbedenken bestehen in mehrfacher Hinsicht. So könnten schon bei den Bodenarbeiten Schwermetalle und Umweltgifte, die sich im Laufe der Jahrzehnte im Schlick des Ostseebodens abgelagert haben, neu aufgewühlt werden. Auch Bestandteile der nach dem Krieg in dem Meer versenkten 40.000 Tonnen chemischen Waffen und 100.000 Minen könnten freigesetzt werden. Zudem würden bei der Druckprüfung der Rohre 2,4 Milliarden Liter biozidhaltiges Abwasser in die Ostsee gespült.
Auf diese Einzelfragen geht Stockholm aber gar nicht ein, sondern setzt voll auf die Landalternative. Der Gedanke: Falls eine solche mit weniger Umwelteingriffen realisierbar wäre, bestünde keine Notwendigkeit, überhaupt eine Gaspipeline auf dem Meeresboden zu bauen.
Allerdings hatte Moskau erst kürzlich anlässlich eines Russlandbesuchs des polnischen Premierministers Donald Tusk noch einmal deutlich gemacht, dass es eine Trassenführung über Land als Alternative keineswegs auch nur in Betracht zu ziehen gedenke. Eine Haltung, die in den baltischen Staaten, Polen, Schweden und Finnland vorwiegend als machtpolitisch begründet verstanden wird. Man kritisiert, dass hier ein Vabanquespiel mit der Ostseeumwelt betrieben werde. Von dem Projekt würden nur Russland und Deutschland profitieren, es würde aber zu Lasten der übrigen Ostseeanrainerstaaten gehen - denn die hätten dann die Rechnung für mögliche Umweltschäden zu tragen.
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